Bis die erste faktische Anwendung der Mietpreisbremse stattfindet, wird noch viel Zeit vergehen. Am 23. September haben sich Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD über die Ausgestaltung der „Bremse“ zwar geeinigt. Das Gesetz tritt deshalb voraussichtlich nächstes Jahr in Kraft. Doch die Länder und Kommunen, die sich für die Einführung vor Ort entscheiden, dürften noch lange nach dem Inkrafttreten mit den Vergleichsmieten zu tun haben. Deren Definition ist bis heute mit großen Unsicherheiten verbunden.
Bisher ist die örtliche Vergleichsmiete Sache der Länder und Kommunen. Solange die von ihnen erstellten Mietspiegel nur einer privaten Orientierung von Mietern und Vermietern dienten, war ihre (Un-)Genauigkeit kaum von Interesse. Nun werden die ortsüblichen Vergleichsmieten – auch als Mietspiegel bekannt – zur Bemessungsgrundlage für die 10%-Mieterhöhungsgrenze bei Bestandsimmobilien. Damit sorgen sie für jede Menge Streitpotenzial, vor allem, wenn sie den örtlichen Mietmarkt nicht repräsentativ wiedergeben.
Vorgaben, wie ein Mietspiegel genau zu erstellen ist, macht der Gesetzgeber jedoch nicht. In der Regel wird zwischen einfachen und qualifizierten Mietspiegeln unterschieden. Bei den ersteren sind die Inhalte nicht einklagbar. Gegen qualifizierte Mietspiegel darf man hingegen klagen. Bisher gibt es jedoch keine Rechtsprechung dazu. Die Koalitionäre hätten es versäumt, die Mietpreisbremse nur dort zuzulassen, wo es mit einem qualifizierten Mietspiegel eine rechtssichere Quelle zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete gibt, klagt der Eigentümerverband Haus & Grund. „Städte wie Köln, Bremen oder Marburg haben nur einfache Mietspiegel“, weiß Axel Gedaschko, Präsident des Verbands Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen.
Die Anpassung eines qualifizierten Mietspiegels ist erst vier Jahre nach dessen Erstellung zwingend. So steht es in § 558d des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). An manchen Orten liegt jeder Mietvertrag der letzten zwei Jahre über dem von der Kommune beschlossenen und oft veralteten Mietspiegel, vermutet die Immobilienwirtschaft. Ob und wo es die vom BGB geforderten „anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze“ gibt, ist unklar.
Qualifizierte Mietspiegel geben die Realität auf dem Wohnungsmarkt nicht unbedingt wieder. Das zeigt eine Untersuchung des Instituts der Immobilien- und Wohnungswirtschaft (IDIW) am Beispiel des Stuttgarter Mietspiegels. Um ein statistisch korrektes Bild des Stuttgarter Miet-Wohnungsmarktes abzubilden, hätten in der Stadt 19.469 Mietverträge ausgewertet werden müssen, so die Wissenschaft. Diese sollten sich korrekt über einzelne Baujahre verteilen. In der Realität gingen jedoch lediglich zwischen 1.400 und 3.500 Mietverträge in die Auswertung ein. Zwischen Alt- und Neuvermietung wurde nicht unterschieden.
Der Eigentümerverband rechnet jetzt mit einer Klagewelle. „150.000 zusätzliche Streitigkeiten pro Jahr zwischen Mietern und Vermietern“ lautet die Schätzung des Haus & Grund-Präsidenten Rolf Kornemann.
Fazit: Kommunen und Städte, die eine Mietpreisbremse anwenden wollen, werden zunächst alle Hände voll zu tun haben, rechtssichere Spiegel zu erstellen. Bis dahin gilt auch keine Bremse.