Die Vollverschonungsmöglichkeit im Erbschaftsteuerrecht entwickelt sich durch die Rechtsprechung immer mehr zu einer Optionsfalle für Unternehmer. Der „Lohn“ der Vollverschonungsoption ist zwar die vollständige Steuerfreiheit des verschenkten oder ererbten Vermögens. Andererseits sei nicht zu verkennen, dass die Risiken mit Ausübung der Vollverschonungsoption auch deutlich stiegen, meint dazu Jörg Stalleiken, Steuerfachanwalt und Erbschaftsspezialist bei Flick Gocke Schaumburg. Gefährlich wird es insbesondere dann, wenn ein Erbe (oder Beschenkter) mehrere betriebliche Einheiten (GmbH-, KG-Anteile) übernimmt. Ein vor dem Finanzgericht Münster verhandelter Fall macht das deutlich: Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann der Erwerber den Antrag auf Vollverschonung im Erbfall insgesamt nur einheitlich für alle Einheiten des erworbenen begünstigten Vermögens stellen. Die Folgen sind erheblich und teuer. Für all jene betrieblichen Einheiten, die die Vollverschonungsvoraussetzungen erfüllen – also eine Verwaltungsvermögensquote von ≤10% haben – wird die volle Steuerbefreiung gewährt. Doch für alle anderen Einheiten, die die Vollverschonungsvoraussetzungen nicht erfüllen – die also eine Verwaltungsvermögensquote von ≥10% haben – wird überhaupt keine Verschonung mehr gewährt. Und zwar selbst dann, wenn bei isolierter Betrachtung der Erwerb dieser Einheiten im Rahmen der Regelverschonung (85% Steuerbefreiung) begünstigt wäre. Das hat das FG im Urteil vom 9.12.2013 (Az. 3 K 3969/11 Erb) voll bestätigt.
Fazit: Die Ausübung der Vollverschonungsoption sollte nur gewählt werden, wenn ganz sicher ist, dass alle betrieblichen Einheiten die Voraussetzungen dafür erfüllen, rät Stalleiken. Anderenfalls sei es ratsam, die Vollverschonungsoption nicht gleich zu erklären, sondern nachzuholen. Was für den Erbfall gilt, gelte für den Fall einer Schenkung ebenso.