Augen zu und durch (?)
Deutsche Unternehmen sehen sich in China immer häufiger Repressalien und Machtansprüchen ausgesetzt. Doch niemand spricht offiziell darüber. Die Antwort auf diese Situation ist außerdem ernüchternd: Es gibt kein allgemeingültiges Rezept. Jeder Unternehmer muss sich vielmehr die Frage stellen: Wie lange machen wir das mit? Und wie reagieren wir auf Kritik?
Druck auf Unternehmen
Die chinesische Regierung pusht kaum entwickelte Provinzen im riesigen Reich, um dort wirtschaftlich nachzuziehen. Die Bevölkerung muss zufriedengestellt werden, damit sie nicht „aufmuckt“. Zugpferden mit expansivem Drang und Druck wie VW macht Peking dann mehr oder minder deutlich, dass man (auch) dort zu investieren hat. Sonst können man seine generelle Absatzstrategie im Reich der Mitte nciht mehr erfolgreich fortsetzen. Dann müssen auch die Zulieferer zähneknirschend mitgehen. Immer weniger europäische Mitarbeiter finden es spaßig, in China zu arbeiten; (zumal Expats sehr teuer werden und derzeit viele abgezogen werden.)
China war auch 2020 der VW-Wachstumstreiber – Tendenz steigend. VW-Konzernchef Herbert Diess weiß sehr genau, dass es kein „nein“ geben kann. Wegen der Uiguren-Problematik in Xinjiang ein Veto einlegen? Keine Option. Das geht nur mit Regebogenfahnen gegen Ungarn. Da kann man sich das Wohlwollen der deutschen Öffentlichkeit billig einheimsen. Hier ist VW der Koch und Ungarns Regierungschef Victor Orban der Kellner. In China aber ist es umgekehrt. Eine Marke wie VW hat international zu performen und muss Anleger befriedigen. Beide Seiten profitieren also.
Kritik in der Heimat
Dumm nur, dass das Ganze in der Öffentlichkeit nicht gut ankommt. Etwa wenn Manager wie Hündchen neben lächelnden Autokraten sitzen (galt auch zu Trump-Zeiten) oder wenn in der Heimat chinesische Dissidenten bzw. demonstrierende Bürger zu Wort kommen. In China selbst wird hingegen mal eben seit vielen Jahren stante pede z.B. die Deutsche Welle (gern gesehen in Business-Hotels) abgeschaltet, kurz nachdem Merkel einen unbequemen Satz geäußert hat. Seit Monaten lässt China keine neuen Journalisten ins Land – Corona kam gerade recht, um Akkreditierungen zu verweigern. Die wenigen deutschen ARD-Journalisten haben Angst um ihre Informanten. Das gilt auch für arme Bauern, denen nach ein paar harmlosen Interviewfragen flugs „der Staat“ auf die Pelle rückt.
Propaganda fruchtet
Vertreter in China sagen uns unter der Hand: Wer in China bleiben und gutes Geld verdienen will (Absatzmarkt), muss das perfide Spiel mitmachen. Das wissen die chinesischen Studenten in Deutschland ebenso (bloß keine "falschen" Posts absetzen, sonst gibt es keine Reisegenehmigungen mehr) wie deutsche Automobilmanager. Neulich auf der Messe Auto Shanghai (April): Offiziell äußern mochte sich zur Uiguren-Problematik niemand. Eher nebulöses Gestammel: „So genau weiß man ja nicht, ob in Xinjiang wirklich so menschenverachtend gehandelt wird …“ Die chinesische Propaganda fruchtet, besser: macht mundtot.
Dilemma
Neutral betrachtet ist China aber einer von vielen Standorten, der kritisch zu sehen ist. Jedes produzierende Unternehmen und damit auch Einkäufer kennen sehr genau auf allen Kontinenten die teilweise elenden Bedingungen, die man dort weidlich ausnutzt. Das deutsche Lieferkettengesetz macht es jetzt aber schwerer, diese alten Stiefel weiterzutragen. Nicht überall droht freilich zusätzlich ein politisches Dilemma wie in China.
Gutes Gedächtnis ...
Das Lieferkettengesetz setzt unter Druck, appelliert aber zugleich an die Moral. Mittelständler, insbesondere inhabergeführte Unternehmen, können eher entscheiden: bis hierher und nicht weiter. Wir ziehen uns mit dem Werk aus China zurück und agieren mit Handelsvertretern. Aber auch das muss wirtschaftlich und strategisch politisch gut überlegt sein. Denn „China“ hat ein verdammt gutes Gedächtnis.
Fazit: China lässt sich nicht aufhalten. Das Land setzt immer mehr auch technische Standards, denen die Welt folgen wird. Und: Deutsche und chinesische „Logik“ sind nicht kompatibel. Gehen Sie nicht von Ihrem eigenen Vernunftverständnis aus. Bereiten Sie sich auf alles gut vor. Seien Sie auf alles gefasst. Sorgen Sie dafür, dass Sie immer gut informiert sind, was sich drüben (und in Ihren Werken) tut.