Globler Kampf um Schutzausrüstung: Konfusion, Hektik, verzweifelte Einkäufer
Heute diskutiert die Regierung in Berlin, welche Not-Regelungen erlassen werden sollen, um die Versorgung mit Schutzausrüstung für Krankenhäuser zu gewährleisten. Ein FUCHS-Blick hinter die Kulissen der hessischen Corona-Task Force zeigt: Das ist dringend nötig. Denn der Kampf um Schutzausrüstung geht auf die Knochen, kostet immens viel Geld und ist nicht gut organisiert. Lieferungen sind reine Glücksache.
Wer vor ein paar Tagen den Ruf in die hessische Task Force Corona erhalten hat, konnte nicht ahnen, was in Sachen Beschaffung derzeit zur Tagesordnung gehört. Bis zu 15 Stunden arbeiten die Beschaffer gerade täglich am Bildschirm (manchmal auch länger). Telefonate mussten zunächst auch am Privathandy geführt werden, teils sieben Tage die Woche. Anfangs saßen teilweise 20 Kollegen in einem Raum. Wasser, Kaffee und drei Mal am Tag Essen stellte die Behörde erst zeitverzögert bereit, ebenso Blackberrys. Wer nach 11 Stunden täglich Ermüdungserscheinungen zeigt oder nach einem Tag Pause am Wochenende fragt, dem wurde teils Rücksichtslosigkeit vorgeworfen. Einige Kollegen fahren schon gar nicht mehr nach Hause. Sie schlafen zumindest ein paar Stündchen im nahegelegenen Motel One am Wiesbadener Hauptbahnhof. Aber: Nicht alle sind mehr an Bord. Erste völlig überarbeitete Mitarbeiter wurden schon heimgeschickt.
Polizisten checken Angebote
An Anbietern von Schutzkleidung herrscht eigentlich kein Mangel. Sogar junge Polizisten wurden dazu verdonnert, die in der Task Force im Minutentakt eingehenden Angebote auf verlangte Behördenstandards hin abzuklopfen. Die Arbeit mit der Workflow-Software Sharepoint verwirrt indes auch alte Hasen, die hektisch nach Formularen und „ihren“ E-Mails suchen. Immerhin konnte jetzt ein großer Schutzmasken-Auftrag für die Justizvollzugsanstalten abgeschlossen werden. Hierfür sind die Anforderungen an die Qualität weniger hoch als bei Aufträgen für Krankenhäuser, die händeringend Materialanforderungen einreichen und dem Vernehmen nach in den nächsten Tagen „short gehen“.
Ein riesiges Problem ist die Zeit. EU-Vergaberichtlinien halten schon im Normalfall auf. Nun prüfen Einkauf und Juristen das Nötigste, müssen sich aber auch dabei enorm sputen. Bonität der Anbieter (Check bei Creditreform) und Echtheit ihrer Zertifikate? Genaue Prüfungen haben derzeit keine oberste Priorität. Es gilt die Prämisse: möglichst schnell zuschlagen, bevor das andere Einkäufer tun. Denn es herrscht globaler Wettbewerb mit anderen Ländern. Der höchste Zuschlag macht den Stich, selbst nach bereits erteilter Zusage an andere „Kunden“.
Hessen zahlt – Hongkong konfisziert
Die aktuell auf die Spitze getriebene Marktmacht der Anbieter führt dazu, dass Hessen sich sogar auf Vorkasse teilweise in beträchtlicher Millionenhöhe einlassen muss, bevor auch nur ein Paket mit Schutzausrüstung ins Land kommt. In manchen Fällen wird gar die komplette Summe vorab verlangt. Aber: Wenn der Anbieter die „heiße Ware“ zwischenzeitlich anderweitig vergeben hat (was durchaus vorkommt), ist immens viel Geld futsch! Für Regress und Rückerstattung scheint es noch keine (hinreichende) Lösung zu geben. Hinzu kommt: Bestellungen in China gehen teilweise gar nicht mehr durch, wenn Hongkong die Ware konfisziert.
Fazit: Global ist ein harter Wettbewerb um Schutzausrüstungen entbrannt. In anderen Bundesländern dürfte es ähnlich zugehen wie in Hessen. Jetzt rächt sich, dass Einkäufer bei öffentlichen Auftraggebern oft weniger technisch geschult bzw. ausgestattet sind. Nach der Krise muss der Einkauf der Öffentlichen dringend professionell unterstützt werden.