Gericht weitet Anerkennung von Arbeitszeit aus
Das Verwaltungsgericht Lüneburg (VG) hat die Anerkennung von Arbeitszeiten während Dienstreisen erheblich ausgeweitet. Das VG orientierte sich bei seinem Urteil an der Auslegung nach Europarecht. Damit hat das VG die vom Bundesarbeitsgericht bestimmte "Beanspruchungstheorie" weiterentwickelt und großzügiger für Arbeitnehmer ausgelegt.
Jede Reisezeit ist Arbeitszeit
Laut VG ist entscheidend, ob ein Arbeitnehmer mit der Reise Aufgaben für den Betrieb wahrnimmt. Diese Lesart verschiebt die vielfach schwierige Abgrenzung von Frei- und Arbeitszeit bei Geschäftsreisen zum Nachteil von Unternehmen. Bisher galt: Reisen während der regulären Arbeitszeit sind Arbeit. Außerhalb der regulären Arbeitszeit waren Dienstreisen in Abhängigkeit von der beruflichen Beanspruchung als Arbeitszeit zu rechnen.
Laut VG wäre damit jede Reisezeit auch Arbeitszeit. Geklagt hatte ein Speditionsunternehmen. Das hatte die für Fahrzeugüberführungen eingesetzten Arbeitnehmer mit Taxi und Bahn zum jeweiligen Abholort des Fahrzeugs geschickt. Nach der Überführung reisten die Angestellten mit der Bahn zu ihren Wohnorten zurück. Nach Ansicht der Spedition waren diese Reisen keine Arbeitszeit, da die Mitarbeiter in der Gestaltung ihrer Reisezeiten völlig frei wären und auch nicht arbeiteten. Die Entscheidung des VG lautet nun anders.
Fazit: Setzt sich diese Rechtsprechung in übergeordneten Instanzen durch, dürften Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten in etlichen Fällen nicht mehr eingehalten werden. Unternehmen werden dann Reise- und Arbeitszeiten neu kalkulieren müssen. Das dürfte zu einem veränderten Personaleinsatz, weniger Geschäftsreisen oder höheren Kosten führen.
Urteil: VG Lüneburg vom 2.5.2023, Az.: 3 A 146/22