Konzept mit Tücken
In den kommenden Jahren bekommt Deutschland ein Problem mit der Versorgungssicherheit. Einzelne Lobby-Gruppen werben aktiv für ihre Lösungsansätze. Was steckt dahinter?
Pünktlich vor Beginn der anstehenden Debatte über die Versorgungssicherheit in Deutschland verstärkt die Energielobby ihren Druck auf die politischen Entscheider. Am Dienstag hat der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) (s)eine Lösung für die künftige Versorgungssicherheit vorgestellt. Das ist schon das zweite Gutachten des VKU mit ähnlicher Ausrichtung. Damit wird sich der politisch erstklassig verdrahtete Verband im Herbst mit an den Verhandlungstisch mit der Bundesregierung setzen. Der Staat ist gezwungen, dringend eine Lösung für die Sicherheit der Stromversorgung (Grundlast) zu finden. Die Lösung des VKU ist auf den ersten Blick sehr verlockend. Die Versorger sollen nicht nur Strom erzeugen dürfen. Es soll ihnen möglich werden, vorgehaltene Leistung in Form von Zertifikaten an Stromanbieter zu verkaufen. Stromerzeuger verpflichten sich gegen einen Preis in der Spitzenlastzeit – z.B. an einem dunklen Wintertag – Strom zu liefern. Die Kosten solcher Zertifikate legen die Stromanbieter auf die Endverbraucher zusätzlich zum aktuellen Strompreis um. Politisch schmackhaft macht der VKU seinen Vorschlag durch die Annahme, dass damit die Systemkosten auf dem Strommarkt sinken und folglich die Preise für die Endverbraucher – allerdings erst mit einer Verzögerung von einem Jahrzehnt. Die Effizienz dieses Modells ist jedoch höchst umstritten. Wie am Ende der Preis eines Zertifikates ausfallen wird, ist heute schwer zu berechnen. Denn es ist kaum möglich, künftige Spitzenlasten zu kalkulieren. Fehlende Signale vom gesamten Strommarkt können zu Überkapazitäten führen. Außerdem ist ein Zertifikate-Markt anfällig gegenüber Manipulationen und führt zur Verfestigung einzelner Technologien (z. B. Kraftwerke statt Speicher). Nicht zuletzt ist völlig unklar, wie sich Preisspitzen auf die Stromrechnung der Verbraucher auswirken. Auch die großen Energieversorger (E.ON, RWE) wollen einen Leistungsmarkt. Dieser könnte ebenso mithilfe des Handels mit Leistungszertifikaten oder Ausschreibungen und Versteigerungen funktionieren. Alternativ könnte die Bundesregierung noch eine strategische Reserve an Kraftwerks-Kapazitäten aufbauen. Von den aktuellen Preisspitzen auf der Strombörse könnte die Regierung den möglichen Preis ableiten, den sie den Kraftwerksbetreibern für das Vorhalten der Kapazitäten bezahlt.
Fazit: Die Bundesregierung steht vor einer kritischen Entscheidung. Lässt sie sich von den Lobbyisten-Gruppen beeinflussen, wird sie künftig kräftig nachjustieren müssen. Und das kostet immer extra.