Das Bilanz-Problem
In den USA sinkt die Schuldenquote der Privathaushalte. Das scheint gut, doch dahinter stecken zweifelhafte Effekte.
Im Zentrum der 2008/09 losgebrochenen Krise stand ein US-Schuldenproblem. Immer mehr Haushalte rutschten im Gefolge einer Korrektur des heiß gelaufenen Immobilienmarktes in die Überschuldung. Das brachte die Banken in Gefahr und stoppte die Nachfrage. Die Regierung rettete die Banken durch umfassende Kapitalhilfen, während die Notenbank Fed ihre Zinspolitik einsetzte, um die Bilanzen zu korrigieren. Zusätzliche Liquidität durch quantitative Lockerung sorgte für zusätzliche Portfolio-Nachfrage. Gleichzeitig hebelt der niedrige Zins direkt die Ertrags- und Kapitalwerte nach oben. Das ist bei den Immobilien mit ihrer langfristigen Kapitalbindung besonders wirksam. Letzteres lässt sich an Hand der sektoralen Bilanz der privaten Haushalte im Rahmen der „Flow-of-Funds“-Rechnung der US-Notenbank sehr gut nachvollziehen. Das Bruttovermögen der privaten Haushalte stieg von 2010 bis Ende 2014 um 27,3% oder 20.836 Mrd. Dollar, während die Schulden nur um 371,7 Mrd. Dollar oder 2,7% zulegten. Der Zuwachs war praktisch identisch mit dem Zuwachs des Reinvermögens. Die Zuwächse haben die Überschuldungsprobleme weitgehend beseitigt. Die Schuldenquote der Haushalte sank von 18% auf 14,6% des Bruttovermögens. Der Effekt wird noch deutlicher bei den privaten Immobilien: Dort stieg der Reinvermögensanteil („equity“) von 39,6% auf 54,6% des gesamten Immobilienbesitzes. Die Bilanzen gelten daher mittlerweile als „gesund“. Indes darf man starke Zweifel an der Nachhaltigkeit dieser Erfolge haben. Die Haushalte sind unverändert verwundbar. Über die mit dem Hebel „Zinspolitik“ erzielten Zuwächse hinaus ist allerdings sehr wenig Besserung in Gang gekommen: 15.507,7 Mrd. Dollar (rund 75%) der gesamten Zuwächse beruhen auf reinen Kurs- oder Preissteigerungen – so genannten „holding gains“. Nur rund 25% des Zuwachses an Reinvermögen beruhen auf privater Kapitalbildung im engeren Sinne (Investitionen). Besonders prekär ist das Verhältnis bei den Immobilien: Von 5.159,7 Mrd. Dollar Zuwachs entfallen 4.840,2 Mrd. Dollar (rund 94%) auf „holding gains“. Die Preisfrage lautet daher: Wie viel von diesen Gewinnen haben bei einer Normalisierung der Zinsen noch Bestand?
Fazit: Die US-Notenbank dürfte nicht zuletzt aus Furcht vor einem starken negativen Vermögenseffekt auf die Nachfrage mit den seit Jahren erwarteten Zinserhöhungen zögern.