Grüne Treibstoffe werden das Fliegen verteuern
Grünes Kerosin wird in den kommenden Jahr(zehnt)en zum Engpassfaktor für die Flugindustrie. Außerdem wird es zum nächsten Subventionsloch für die Regierungen sowie zum Kostentreiber für die Passagiere. Der Grund sind die ehrgeizigen CO2-Ziele: Europas Luftfahrt hält daran fest, bis 2050 die Emissionen im Vergleich zu 2005 halbieren zu wollen. Der Trend weist aber in die andere Richtung.
Climate Action Tracker (CAT) prognostiziert einen Anstieg der CO2-Emissionen in der Luftfahrt von 2015 bis 2050 um 220 bis 290%. CAT ist eine nach eigenem Bekunden unabhängige Experten-Gruppe. Vor allem der Anteil der Luftfahrt an den weltweiten CO2-Emissionen – heute nur 2% bis 3% – könnte schnell auf 25% steigen, warnt der Unternehmensberater Roland Berger. Begründung: Andere Sektoren wie die Bauwirtschaft und die Autoindustrie würden sehr viel schneller decarbonisieren.
10% grüner Flugtreibstoff bis 2050
Das CAT sieht als realistisches Ziel bestenfalls einen 10%-Anteil an grünem Kerosin bis 2050. Der Luftfahrtverband IATA schätzt die Produktion von grünem Kerosin weltweit derzeit nur bei 50 Mio. l im Jahr. 2050 bräuchte eine CO2-freie Luftfahrt pro Jahr 500 Mio. t nachhaltiger Treibstoffe. Davon ist die Welt noch weit entfernt. Die Internationale Energie Agentur (IEA) schätzt, dass es 10 Mrd. Dollar kosten würde, um 20 neue Raffinerien zu bauen. Diese würden dann gerade mal 2% des globalen Bedarfs an grünem Kerosin decken.
LanzaTech hofft 2025 in drei Fabriken pro Jahr 200 Mio. l Flugtreibstoff produzieren zu können. Die Firma gewinnt aus Industrie-Abfällen mit Hilfe von Mikroben Ethanol. LanzaJet ist ein Joint-Venture der kanadischen Suncor mit Mitsui aus Japan. Die Airlines Virgin Atlantic und All Nippon Airways (ANA) haben sich schon zum Kauf des Kerosins von LanzaJet verpflichtet.
BA: 1.000 zusätzliche grüne Flüge ab 2025
British Airways (BA) und Shell wollen ab 2025 mit Sprit aus Haushalts-Abfällen Fliegen ermöglichen. Velocys, die von den beiden Ölkonzernen gestützte Ausgründung der Universität Oxford, hofft dann 50.000 t nachhaltiges Kerosin pro Jahr liefern zu können. Laut CEO Henrik Wareborn würde das für 1.000 Transatlantikflüge reichen. Das sind gerade mal 1% bis 2% des jährlichen Bedarfs von BA.
Wahrscheinlich sind für die Herstellung grünen Flugtreibstoffes ähnlich hohe Beihilfen nötig, wie anfänglich für die erneuerbare Energien. Denn mit Ölpreisen von 35 Dollar je Barrel kann die grüne Kerosinindustrie nicht konkurrieren. LanzaJet kann das grüne Kerosin bisher nur für etwa 80 US-$ pro Barrel anbieten.
Freiwillig mehr zahlen
Zwei europäische Airlines haben mittlerweile begonnen, ihre Passagiere zur Kasse zu bitten. Sie erwarten "freiwillige Beiträge" für grüneres Fliegen. Bei der SAS können Passagiere für 10 US-$ je 20 Minuten grünes Kerosin kaufen. Auch bei der Lufthansa sollen sich die Passagiere von der Umwelt-Verschmutzung ihres Fluges freikaufen können. Der Erfolg dieser Aktionen ist noch unklar.
Mittlerweile drohen in Europa schon verpflichtende Regeln. Norwegen hat ab Januar 2021 einen Beimischungszwang von 0,5% Bio-Treibstoff für alle Flüge beschlossen. Bis 2030 soll dieser Anteil auf 30% steigen. Auch die EU-Kommission will für alle Flüge einen Mindestanteil an grünem Kerosin vorschreiben. Auch hier werden die Passagiere voraussichtlich die Kosten tragen müssen.