Kommende EU-Verordnung wird Textilindustrie umkrempeln
Die deutsche Bekleidungsindustrie wird durch die kommende EU-Textilverordnung noch kräftig umgekrempelt. Die Branche steht nach Corona ohnehin schon unter massivem Veränderungs- und Anpassungsdruck. Mit der neuen Richtlinie stehen weitere weitreichende Veränderungen an.
EU-Strategie für nachhaltige Textilien könnte den Markt komplett umkrempeln
Das Ziel der EU ist es, die Textilindustrie nachhaltiger zu machen und stärker auf eine Kreislaufwirtschaft auszurichten. Die Produkte sollen haltbarer werden, etwa durch höhere Farbstabilität und bessere Reißverschlüsse. Auch der Fasermix und die Chemikalien, die für die Färbung genutzt werden können, sollen reguliert werden. Das wird insbesondere der extrem billigen Fast Fashion das Leben sehr schwer machen.
Schon ab 2023 sollen Textilhersteller für den durch sie verursachten Textilabfall verantwortlich sein. Auf die Dauer sollen Textilfasern aus Abfallkleidung genutzt werden, um neue Produkte daraus zu produzieren. Auch das wird ein wesentlicher Kostentreiber. Denn die EU verlangt hier ein Verfahren, das bisher nirgends angewendet wird, weil Recyclingtextilien recht teuer sind.
Rohstoffeinkauf wird teurer
Auch von der Marktseite kommt die Branche unter Druck. Denn die Einkaufspreise für Rohstoffe und Vorprodukte steigen. Die Preise für Baumwolle, synthetische Fasern und Transport treffen die Industrie. Die typische Reaktion der Branche auf steigenden Preise ist es, weniger Offprice-Produkte anzubieten und das Angebot auf billiger hergestellte Produkte zu verlagern. Insgesamt lastet das aber dennoch auf den Margen. Modeketten haben ein höheres Insolvenzrisiko als andere Branchen, so Allianz Trade (bisher Euler Hermes).
Nachfrage geht weg von Mode, hin zu Sportswear und immer billigerer Kleidung
Im Gegensatz zur politischen Zielrichtung (mehr Nachhaltigkeit) verschiebt sich der Marktrend bei der Nachfrage eher in Richtung zu günstigerer Kleidung. Statt neuer Mode kaufen immer mehr Frauen und Männer Sportswear und Second-Hand. Der Trend zur Schnäppchenjagd wird stärker. Schon vor der Krise war Offprice, also heruntergesetzte Kleidung, der größte Wachstumsbereich der Mode. Bis 2025 wird er in Deutschland um etwa 16% pro Jahr wachsen. Das ist schneller als irgendein anderes Segment der Branche, sagt der Unternehmensberater McKinsey voraus. Der Online-Handel gewinnt schneller Marktanteile, als vor der Krise.
Textilindustrie in Zahlen
Die Branche setzte 2019 in Deutschland 28 Mrd. Euro im Jahr um und beschäftigt 124.000 Menschen. Durch die Corona-Lockdowns brachen die Umsätze 2020 um etwa 20% ein. Vom Konsumboom im vorigen Jahr hat die Branche nicht stark profitiert. Sie blieb sogar noch unter den Zahlen von 2019. Durch den Ukrainekrieg wird sich das Wachstum des Kleidungseinzelhandels europaweit statt um 6,4% nur um 4,4% steigen (Deutschland +2,2%) und somit weiter unter Vor-Corona-Niveau bleiben.
Fazit: Die Textil- und Bekleidungsindustrie kommt von drei Seiten unter Druck. Während der Rohstoffeinkauf immer teurer wird, wollen die Kunden beim Einkauf Geld sparen und die EU wird die Branchenstandards deutlich anheben. Das wird die Branche massiv unter Kosten- und Margendruck setzen.
ist unter extrem starken Veränderungsdruck. Besonders die EU-Vorgaben könnten die Industrie dauerhaft verändern. Kommen die Regelungen wie geplant, wird die Bekleidungsindustrie wieder mehr wie in den sechziger Jahren. Sehr viel langsamer, dafür mit höherer Qualität. Die Konsumenten werden die teureren Stücke dann länger tragen.