Der Hartz-IV-Moment der Grünen
Jetzt haben auch die Grünen ihren Hartz IV-Moment. Mit dem europäischen Zuwanderungskompromiss ist ein Stück aus der grünen DNA geschnitten. Der grüne Gutmensch ist von seiner Partei enttäuscht und wendet sich ab. Der Kollaps des Habeckschen Wärmepumpengesetztes (Gebäudeenergiegesetz) als pars pro toto für die gescheiterte deutsche Klimapolitik bringt bereits die Klima-Radikalen und Extremisten der letzten Generation in Opposition zum grünen Regierungs-Establishment. Mit der Vetternwirtschaft im Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ist die Vorstellung vom besseren grünen Politiker geplatzt.
Die Grünen sind damit die fünfte Partei in Folge, die im Angesicht der bunten gesellschaftlichen Realität der Moderne an ihren Utopien rütteln und an ihrer politischen DNA säbeln muss. So wie die SPD unter Schröder und im Angesicht von fast 5 Millionen Arbeitslosen von der Sozialstaats-Utopie zumindest für lange Zeit Abstand nehmen musste; so wie die FDP in der schwarz-gelben Koalition ihre liberalen steuerpolitischen (Mein Einkommen gehört mir) und Sozialstaats-Vorstellungen (Fördern und Fordern) scheitern sah; so wie die Union ihre sicherheitspolitische Unschuld durch die Verschrottung der Bundeswehr und den (weiter anhaltenden) Kontrollverlust beim Migrantenzustrom verlor; so wie die Linke ihre Neosozialismus- und Pazifismus-Utopien in der Regierungsbeteiligung in verschiedenen Ländern canceln musste.
Zerschellen grüner Utopien
Das Zerschellen grüner Utopien an der Realität wird – wie bei allen anderen Parteien auch – langfristige Folgen haben. Bis heute hat sich keine der etablierten Parteien – und ich zähle Grüne und Linke inzwischen hinzu – von diesen Schlägen ins eigene Kontor erholt. Die aktuellen knapp 30% für die Merz-CDU mögen nach zeitweisen Tiefständen von weniger als 20% noch unter Merkel erfolgreich wirken. Gemessen an der Schwäche der Regierung sind sie wenig.
Tatsächlich hat die Entkernung der politischen DNA der etablierten Parteien in der wiedervereinigten Bundesrepublik zu immer neuen erfolgreichen Parteiengründungen geführt (lässt man die Linke als eine solche durchgehen). Die Linke als Fleisch vom Fleische der SPD, die Freien Wähler in Bayern als Satellit der CSU, die AfD als neuer rechter bis ultrarechter Flügel der CDU. Die FDP war ebenfalls Nährboden der frühen AfD, deren Gründungsväter ja vor allem dem konservativen christdemokratischen und liberalen Milieu stammten. Inzwischen zeigt sich auf dem liberalen Feld eine politische Brache, die neu bebaut werden kann, wenn sich mutige Bürger dafür zusammenfinden.
Tritt jetzt eine neue linksextremistisch-utopistische Partei auf den Plan?
Die Grünen stehen nun vor einer ähnlichen Situation. Das Risiko oder – je nach Position des Betrachters – die Chance ist groß, dass sich eine neue linksextremistisch-utopistische Partei gründet. Denn diesem Teil der grünen Bewegung fehlt in der Regierung jetzt der Resonanzboden. Sie können nicht mehr einfach ihre Minister an- und vor sich hertreiben, sondern müssen, um etwas in ihrem Sinne zu bewegen, selbst als politische Partei vor den Wähler treten und sich seinem Votum stellen. Ich bin gespannt, ob sie dazu den Mut haben.