Hier können Sie zwischen der Ansicht für Geschäftskunden und Privatkunden wechseln.
Informationen und qualifizierte Einschätzungen zu Chancen und Risiken
030-288 817-20
Geschäftskunde
Privatkunde
0,00 €
1998
Interview mit Wolfgang Bosbach Teil 3/3

"Mit der Tabuisierung von Problemen aus politischer Korrektheit werden die Probleme größer"

Protestierende in Berlin. © Frederic Kern/picture alliance/Geisler-Fotopress
FUCHSBRIEFE sprachen mit dem Unions-Politiker Wolfgang Bosbach. Im dritten Teil des Interviews geht es unter anderem um den Begriff "Rassist", Hindernisse bei der Integration und kuriose Wortkonstruktionen von Medienschaffenden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

FUCHSBRIEFE (FB): Ein Thema, das Sie in Ihrem Buch anschneiden, ist der inflationäre Gebrauch des Begriffes “Rassist”. Das steht auch durchaus in Zusammenhang mit “Patriotismus”. Jetzt würde ich von Ihnen gerne Wissen: Halten Sie das auch für ein Integrationshindernis? Will man sich in ein Land, das so sehr mit sich selbst hadert, integrieren?

Wolfgang Bosbach (WB): Das kann ich jetzt nicht beweisen, wie will man das beweisen? Aber in Ihrer Fragestellung steckt eine Vermutung, für die ich großes Verständnis habe, weil ich weiß, das dürfte auch historische Gründe haben, dass wir uns mit unserem eigenen Land sehr, sehr schwer tun. 

Ich kann mich noch gut erinnern an eine Reise in den Oman. Ich habe das Hotelzimmer betreten, da lag so auf dem Schreibtisch eine Art, flapsig formuliert – Gebrauchsanweisung für den Oman. “Herzlich willkommen in unserem wunderbaren Land. Aber bitte bedenken Sie in der Öffentlichkeit keinen Alkohol trinken, nicht oben ohne am Strand usw. Ich habe gesagt Das ist doch selbstverständlich. Wenn das die kulturelle Tradition des Landes ist, dann respektiere ich die, weil ich Gast in diesem Land bin. Und wir tun uns da schwer, auch nur darum zu bitten, das Erlernen der deutschen Sprache in Wort und Schrift als Schlüsselqualifikation für Integration in Deutschland. Ich kann mich noch an die Debatte um die Leitkultur erinnern. Mein Gott, was haben wir uns da aufgeregt! Da sind andere Länder wesentlich entspannter.

FB: Der Begriff “Rassist” hat dennoch seit 2015, als die Migrationskrise kam und dann das Aufkommen der AfD bzw. dieser Impuls für die AfD, gehörig Konjunktur bekommen. Aber wer hat eigentlich die Definitionshoheit über den Inhalt solcher Begriffe?

WB: Im Grunde jeder. Oder man sagt eben, jede kritische Äußerungen über kulturelle Unterschiede ist sofort unter Rassismus Verdacht gestellt. Das ist heute der inflationäre Gebrauch, so ähnlich wie der inflationäre Gebrauch des Wortes Nazi. Das geht heute sehr, sehr schnell. Ein Freund von mir, der in Kölner Innenstadt wohnt, sagte mir mal, dass wenn morgens um drei auf der Straße Lärm ist, dann will er “Ruhe” brüllen dürfen, ohne sich vorher erkundigen zu müssen, ob jemand mit Migrationshintergrund dabei ist oder nicht. So denken ja heute schon viele. Die einen lehnen sich dann auf und die anderen sagen: “Ich sag jetzt überhaupt nichts mehr.” 

Wir haben ja in diesem Sommer eine erhebliche Anzahl von Problemen gehabt in Freibädern mit jungen Männern mit Migrationshintergrund, in den Großstädten mehr als im ländlichen Raum. Da wurden ja auch in den Nachrichten Verrenkungen vorgenommen, nur um nicht die Dinge beim Namen nennen zu müssen. Das war hochinteressant, das zu beobachten. Und mit der Tabuisierung von Problemen aus politischer Korrektheit werden die Probleme größer. Sie verschwinden ja nicht dadurch.

FB: Ist da jetzt die Zeit für die Zeitenwende?

WB: Ich glaube es ist immer so, dass wenn es Übertreibungen gibt, das Pendel irgendwann zurückschlägt. Und ich sehe es im Moment bei Gender. Ich finde die schönsten Geschichten schreibt hier das Leben, die kann man gar nicht erfinden. Öffentlich rechtlicher Rundfunk Originaltext von der Beerdigung der Queen: “Wir sehen Mitgliederinnen und Mitglieder des britischen Königshauses” … da ist ja alles schief gelaufen. Und das Königshaus? Es war ja 70 Jahre lang ein Königinnenhaus. 

Oder auch WDR2: Ministerpräsident Wüst besucht Paderborn und sprach mit allen “Wohnenden und Helfern”. Das ist auch total daneben gegangen. Und dann irgendwann, da kommt Winnetou noch dazu und dann schlägt das Pendel um und die Leute sagen: “So, jetzt aber gut, jetzt wollen wir wieder so reden, wie wir es traditionell gewohnt sind.”

FB: Wenn ein Politiker sagen würde: “Hört auf mit diesen Verrenkungen. Nennt es doch bitte einfach beim Namen.” Es wäre doch total glaubwürdig, oder?

WB: Ich war immer der Vertreter der Abteilung Klartext. Man muss sich da nur nicht in der Sprache vergreifen. Man sollte dann auch ruhig und sachlich bleiben, aber die Dinge beim Namen nennen. Und ich glaube, das ist auch genau das, was die Bürgerinnen und Bürger erwarten. Aber du musst natürlich damit rechnen, dass es sofort den Konter gibt “Rassist” oder “Nazi”. Wenn man nicht differenziert, wird argumentiert. Das ist eine große Gefahr, weil es ja auch heute sehr oft kombiniert wird mit dem Begriff “Kritik im Netz”. Wissen Sie, wenn ich gefragt werde, was sagen Sie zur Kritik im Netz, dann sage ich nur “Na und?” Und andere lassen sich davon beeindrucken, zucken zusammen, weil sie nicht Gegenstand kritischer Betrachtung im Netz werden wollen.

FB: Wir bedanken uns für dieses ausführliche Gespräch, Herr Bosbach.

Wolfgang Bosbach (*1952) ist ein deutscher Politiker der CDU und war von Februar 2000 bis November 2009 stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Union und von November 2009 bis Juli 2015 Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages. Vor kurzem erschien sein neues Buch: "Wer glaubt uns noch?: Warum Politik an Vertrauen verliert und was wir dagegen tun können"

Das Gespräch führten auf Seite der Fuchsbriefe Ralf Vielhaber, Stefan Ziermann und Philipp Heinrich.

Meist gelesene Artikel
  • Fuchs plus
  • Anlagechancen in Pakistan

Pakistanische Rupie erreicht Unterstützung

Pakistans wirtschaftliche Herausforderungen, darunter hohe Auslandsverschuldung und sinkende Währungsreserven, führen zu einer Rupienabwertung. Doch das IWF-Programm bietet Hoffnung: Stabilisierung der Reserven und Unterstützung bei Verbindlichkeiten. Investoren sehen Chancen in US-Dollar-Anleihen mit hohen Renditen und dem einzigen ETF auf den MSCI Pakistan.
  • Fuchs plus
  • Mitarbeiter einbinden, um Automatisierung erfolgreich zu machen


Studie: Betriebsräte machen Automatisierung erfolgreicher

Unternehmen mit Betriebsrat erreichen eine höhere Produktivität, wenn Bereiche eines Unternehmens automatisiert werden. Es sind vor allem zwei Faktoren, die dabei eine wesentliche Rolle spielen.
  • Währungsprognosen für das 2. Quartal 2025: Was die Banken trennt

Der Dollar schwächelt, der Euro wird mutiger

US-Dollar auf der Kippe, Euro im Aufwind, Yen zwischen den Fronten: Die Prognosen der Banken für Wechselkurse und Zinsen offenbaren große Unterschiede – und geben tiefe Einblicke in ihre wirtschaftlichen Erwartungen. Besonders bei den Zinsentwicklungen klaffen die Meinungen auseinander. Wer liegt richtig?
Neueste Artikel
  • Monitoring bestätigt positiven Eindruck zur KIRIX Vermögensverwaltung AG 

KIRIX überzeugt mit Selbstauskunft

Illustriert mit ChatGPT und Canva
Die KIRIX Vermögensverwaltung AG legt großen Wert auf Kundenzufriedenheit, transparente Prozesse und verantwortungsvolle Beratung. Dies ergab eine freiwillige Selbstauskunft die anhand eines Fragebogens durch KIRIX zuletzt beantwortet wurde. Auch das Monitoring durch die FUCHS | RICHTER Prüfinstanz ergab keine Hinweise auf nachteilige oder unethische Handlungen. Mit einem klaren Beschwerdemanagement und öffentlich zugänglichen Berichten bleibt die Vertrauensampel für KIRIX fortwährend auf Grün.
  • Fuchs plus
  • Stiftungsvermögen 2025: Haspa Private Banking in der Ausschreibung

Gutes Mittelfeld

Erstellt mit Canva und ChatGPT
Die Elbe prägt seit Jahrhunderten die Entwicklung und den Charakter der Hansestadt Hamburg und ist eine ihrer wichtigsten Lebensadern. Sie ist nicht nur ein bedeutender Schifffahrtsweg, sondern auch ein wichtiger Bestandteil der Identität und Kultur vor Ort. Die Hamburger Sparkasse, tief verwurzelt in der Hansestadt, könnte der Stiftung Denkmalpflege Hamburg vielleicht helfen. Ob das Heimspiel für die Banker aus Norddeutschland tatsächlich ein Erfolg war, lesen Sie hier.
  • Fuchs plus
  • Firma Leonhard Kurz erzeugt Prozesswärme aus Solarstrom


Prozesswärme elektrisch erzeugen

© SMA Solar Technology AG
Ein Unternehmen stellt seine Wärmeerzeugung von Erdgas auf Strom um, und schließt dabei einen Wärmespeicher an. Das System ist noch recht teuer, kann sich aber unter bestimmten Voraussetzungen schon rechnen.
Zum Seitenanfang