Anrechnung des Zuverdienstes schafft eine Niedrigeinkommensfalle
Das Bürgergeld hat einen grundlegenden Konstruktionsfehler. Die Anrechnung des Zuverdienstes für zusätzliche Arbeit führt zu einer Reduktion der Transferleistungen. Der Effekt kann sein, dass Beschäftigte in eine Niedrigeinkommensfalle geraten können.
Lohnabstand nach Anrechnung des Zuverdienstes teilweise zu gering
Für Arbeitnehmer lohnt es sich unter Umständen nicht, verfügbare Zeit in mehr Arbeit und Geld einzutauschen. Denn das erzielte höhere Einkommen reduziert das Bürgergeld (diverse Transferzahlungen). Dieser Effekt kann den Abstand zwischen Bürgergeld und dem Einkommen ist in der Praxis so weit nivellieren, dass es erhebliche Fehlanreize im System gibt.
Ein Beispiel: Ein Alleinstehender in Dresden mit einem geringen Bruttolohn und Teilzeitjob (1.000 Euro brutto) hat mit Transfers nach Miete 891 Euro. Würde er mehr arbeiten und 1.500 Euro verdienen, bleiben ihm 914 Euro. Der Lohnabstand von 23 Euro ist viel zu gering. Es gibt keinen großen Anreiz, mehr zu arbeiten und mehr zu verdienen. FUCHSBRIEFE sprachen dazu mit ifo-Forscher Maximilian Blömer.
FUCHSBRIEFE: Herr Blömer, was genau haben Sie nachgerechnet?
Blömer: Wir haben vier typische Fallkonstellationen nachgerechnet. In allen Fällen (Single ohne Kinder, Single mit zwei Kindern, Alleinverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern, Doppelverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern) gibt es einen signifikanten Lohnabstand gegenüber dem Bürgergeld.
FUCHSBRIEFE: Eine Kündigung, um das Bürgergeld zu beziehen, ist also nicht sinnvoll?
Blömer: In den allermeisten Fällen nicht. Zudem ist immer wichtig: Es gibt stets eine Bedürftigkeitsprüfung. Die persönlichen Vermögensverhältnisse sind für den Empfang des Bürgergeldes offenzulegen. Es hat also nicht jeder Haushalt einfach so Anspruch auf die Leistungen und auch nicht jede Miethöhe wird dauerhaft als angemessen akzeptiert.
FUCHSBRIEFE: Arbeit lohnt sich also immer?
Blömer: Arbeit führt in Deutschland jedenfalls immer zu einem höheren Einkommen als Nichtstun. Wer arbeitet und alle Sozialleistungen in Anspruch nimmt, die ihm zustehen, hat immer mehr verfügbares Einkommen als jemand, der nicht arbeitet und nur Sozialleistungen bekommt.
FUCHSBRIEFE: Dennoch gibt es systemische Fehlanreize beim Bürgergeld und im Transfersystem?
Blömer: Ja, die liegen im Niedrigeinkommensbereich daran, dass die Transfers bei Mehrarbeit schnell sinken. Ein Alleinstehender in Dresden mit einem geringen Bruttolohn und Teilzeitjob (1.000 Euro brutto) hat mit Transfers nach Miete 891 Euro. Würde er mehr arbeiten und 1.500 Euro verdienen, bleiben ihm 914 Euro. Der Lohnabstand von 23 Euro ist viel zu gering für die zusätzliche Arbeit. In diesem Fall besteht eine Niedrigeinkommensfalle.
FUCHSBRIEFE: Was leiten Sie daraus ab?
Blömer: Das System sollte angepasst werden. Eine Reform ist aufgrund der teilweisen äußerst geringen Anreize zur Ausweitung bestehender Erwerbstätigkeit oder Erhöhung des Bruttoeinkommens notwendig. Vor allem die Kürzungen beim Zuverdienst sollten reduziert werden.
Fazit: Die Meldungen, dass sich Arbeiten immer mehr lohnt als Bürgergeld, sind verkürzt dargestellt. Das ifo zeigt auch, dass das Bürgergeld einen Konstruktionsfehler hat. Der sorgt dafür, dass die Anreize, mehr zu arbeiten und zu verdienen teilweise sehr gering sind. Das verhindert zusätzliche Beschäftigung.
Hinweis: Das ifo-Institut hat dem Arbeitsministerium Berechnungen vorgelegt, die zeigen, dass es im Transfersystem sich selbst finanzierende Reformmöglichkeiten gibt. Die sollen das Arbeitsangebot steigern und niemanden schlechter stellen. Wir sind gespannt, was das Arbeitsministerium aus diesen Berechnungen macht.