Brexit: Britische Überforderung
Die Hürde, den Brexit zu managen, könnte sich für Großbritanniens Regierung als zu hoch erweisen. Die Wirtschaft knüpft daran eine Hoffnung.
In der Wirtschaft wachsen die Zweifel, dass Großbritannien den Brexit überhaupt stemmen kann. Beim parlamentarischen Abend von BDI, BDA und DIHK im Berliner Verbändehaus sprachen wir dazu unter anderem mit einem Berater der britischen Regierung in Rechtsfragen. In Downing Street No. 10, dem Sitz von Regierungschefin Theresa May, liefen täglich neue Schreckensbotschaften ein, was der Austritt im Detail mit sich bringt. So herrschen unter Juristen sogar Zweifel, ob die Briten nach dem EU-Austritt noch Mitglied der Welthandelsorganisation WTO sind. Das aber ist im Grunde die Voraussetzung, um mit anderen Ländern bilaterale Handelsverträge abschließen zu können. „Die Briten müssen möglicherweise einen neuen Beitrittsantrag zur WTO stellen“, sagt man uns. In der WTO müssten zwei Drittel der 164 Mitglieder dem zustimmen. Wir teilen diese Zweifel allerdings nicht. Großbritannien war bereits 1995 im Club und ist seit 1948 Mitglied im Handelsabkommen GATT. Die britische Administration fehlen angeblich die personellen Kapazitäten, um die zahllosen Verhandlungen zeitgerecht durchzuführen, die mit dem Austritt anstehen. Das sei so, als würde Bremen aus dem Bund austreten und mit sämtlichen Länderregierungen und der Bundesregierung Verhandlungen führen müssen, lautet der Vergleich. In London ansässige Unternehmen, nicht nur Banken, drängten die Regierung, mit dem Austrittsgesuch auf jeden Fall zu warten. Es müsse absehbar sein, was am Ende des Wegs stehen könnte. Alles andere wäre unverantwortlich. Doch genau diese Klarheit kann es kaum geben. Denn die EU will nicht in Details einsteigen, solange das Austrittsgesuch nicht vorliegt. Nicht zuletzt ist eine Verfassungsklage unterwegs. Sie soll klären, ob nicht das britische Parlament den Austritt beschließen und mandatieren muss. Bisher ist das nicht vorgesehen. Premierministerin May handelt auf Basis des Plebiszits vom 23. Juni.
Fazit: Zumindest in der Wirtschaft wächst die Hoffnung, dass sich die Sache als so schwierig herausstellt, dass die Briten selbst die Lust am Austritt verlieren und ein neues Referendum angesetzt wird.