London pokert um die Zukunft Nordirlands
Das Nordirland-Problem spitzt sich zu – und wird zu einer Schlüsselfrage für die Brexit-Verhandlungen. Für die künftige 500 km lange Außengrenze der EU zwischen Irland und Nordirland ist bislang kein Lösungsansatz erkennbar, den Brüssel, London, Belfast und Dublin akzeptieren. Das heizt das politisch ohnehin angespannte Klima in Belfast weiter auf.
London setzt auf Dublin. Die Briten erwarten, dass der Druck Irlands in Brüssel ausreichen wird, dass sich die EU mit einer offenen, aber gut überwachten Grenze zwischen Irland und Nordirland zufrieden gibt. Die Briten stellen sich elektronische Überwachungsmaßnahmen statt Schlagbäume und Grenzbeamte vor. Wer die Grenze überquert, soll via Gesichtserkennung und Nummernschilderscan erfasst werden. Zoll und Fiskus würden damit ständige Bewegungsprofile erhalten. Ein gravierendes Problem dabei wäre der Datenschutz. EU-Bürger mit regelmäßigem Grenzverkehr unterlägen einer totalen Überwachung.
Doch Premierministerin Theresa May hat zunächst ein ganz anderes Problem. Ihre Regierung wird von der nordirischen DUP geduldet. Dafür soll zusätzliches Geld nach Nordirland fließen. Schönheitsfehler: In Belfast konnten sich Sinn Fein und DUP nicht auf eine Regierung einigen. Deshalb wird die Provinz nun wieder von London aus direkt regiert. Dazu gehört auch ein Haushaltsdiktat für 2018.
Frieden in Gefahr
Das gefährdet das Karfreitagsabkommen von 1998. Es hatte 30 Jahre bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen beendet. Nun kann die Gewalt jederzeit wiederaufflammen. Brennen auf der einen Seite der Grenze wieder Autos, häufen sich Bombenattentate und Überfälle auf Militäreinrichtungen, müsste die Abriegelung zu Irland noch konsequenter erfolgen als es die künftige EU-Außengrenze ohnehin sein muss.
Das würde sich nochmals erschwerend auf die Brexit-Verhandlungen auswirken. Die Lösung der Grenzfrage würde in noch weitere Ferne rücken. Selbst im Frieden wird die Grenze Orte, Straßen, Bauernhöfe, Familien und Unternehmen buchstäblich zerschneiden.
Wiedervereinigung oder Überwachung
Brüssel hat vorgeschlagen, Nordirland in der EU zu belassen. Das würde in der Konsequenz eine Wiedervereinigung mit Irland bedeuten. Das wird derzeit in London und Dublin aus unterschiedlichen Beweggründen noch abgelehnt.
Wird die Nordirland-Frage bis zum Brexit nicht gelöst, schlägt das Thema hohe Wellen. Dann muss aus Verhandeln konkretes Handeln werden – und zwar auch von Seiten der EU. Dann steht die Durchsetzung der europäische Rechtsgemeinschaft gegen Humanität. Es werden sich unterschiedliche Interessenlagen der Mitgliedsländer sehr deutlich zeigen.
Fazit: Derzeit ist Nordirland noch ein englisch-irisches und ein innerbritisches Problem. Mit dem Brexit wird es zu einer europäischen Grundsatzfrage.