Iraner demonstrieren gegen Armut
Die Unruhen im Iran sind keine Rufe nach Freiheit. Es sind Rufe nach Brot und menschenwürdigen Lebensumständen. Iran hat durchaus von den Lockerungen der Sanktionen im Gefolge des Atomabkommens mit dem Westen profitiert. Die Erdölproduktion hat sich seither verdoppelt, die Wachstumsraten der Wirtschaft sind ordentlich. Profitiert haben hauptsächlich die Eliten des Systems: die alles beherrschende Staatswirtschaft und ihre Eigner in den Revolutionsgarden, das Militär und die hohe Geistlichkeit. Beim Volk ist wenig angekommen.
Ein Parlamentsausschuss hat unlängst festgestellt, dass 20 % der Bevölkerung – 15 Mio. Menschen – arm sind. Die Zentralbank präzisierte, dass die Hälfte aller Haushalte in den Städten des Landes an oder unter der Armutsgrenze lebt. Einer fünfköpfigen Familie stehen danach monatlich im Schnitt 500 Euro zur Verfügung – das kostet eine adäquate Wohnung in Teheran allein an Miete. Da schlägt jede Brotpreiserhöhung bitter zu Buche; und die ist bei 11% Inflation keine Seltenheit. Landesweit ist jeder Dritte unter 25 Jahren arbeitslos. Daran hat sich seit Jahren nichts geändert.
Verschärftes Armutsproblem
Der gepriesene „Reformator" Staatspräsident Hassan Rohani hat das Armutsproblem mit einem brutalen Spar- und Umverteilungskurs noch verschärft. Er kürzte die Sozialausgaben und die Subventionen für Wohnung, Bildung, Lebensmittel und Benzin. Unter dem Druck der missionarischen Ajatollahs, die den Nahen Osten zu beherrschen suchen, wurden stattdessen die Ausgaben für das Militär und die verdeckten Auslandseinsätze um 150% erhöht. Die Misswirtschaft der Staatsmonopole, die weitverbreitete Korruption und die Vetternwirtschaft vervollständigen das triste Bild einer abgehobenen Elite, die von den Aufständen vollständig überrascht wurde und nur mit Gewalt reagiert. Sozialreformen haben in Teheran wenig Chancen.
Fazit: Es ist zwar richtig, dass Iran bei vollständiger Aufhebung der Sanktionen, namentlich der von USA nach wie vor verhängten Restriktionen im Geld-und Kapitalverkehr, besser dastehen könnte. Aber die schneidende Armut ist selbstgemacht.