Umverteilungsdruck wächst
In Deutschland wächst wie anderswo der Druck, Löhne anzutreiben und Vermögen umzuverteilen. Unternehmer müssen mit entsprechenden Maßnahmen rechnen.
In Deutschland wächst der Druck auf die Politik, Mittel und Wege zur Umverteilung von Einkommen und Vermögen zu finden. Denn eine zunächst akademisch geführte Debatte über gesellschaftliche Ungleichheit kommt jetzt in der Politik an. Sie wird deren Handeln zunehmend bestimmen. Das berichten uns Teilnehmer des Finanzministertreffens in Riga Ende April. Und OECD-Generalsekretär Angel Gurría behauptete heute in Paris: „Noch nie in der Geschichte der OECD war die Ungleichheit in unseren Ländern so hoch wie heute“. Bei den Einkommen läuft in Deutschland bereits die Gegenbewegung. Die Politik unterstützt offen höhere Lohnforderungen der Gewerkschaften – solange sie nicht die öffentlichen Haushalte belasten – und mehr Vollzeitarbeit von Frauen. Beides stellt die OECD als Heilmittel für einen Abbau gesellschaftlicher Ungleichheit dar. Denn einkommen- und vermögensstärkere Schichten würden sich auch mehr Bildung gönnen. Diese sei wiederum der Schlüssel für höhere Einkommen. Ergänzend empfiehlt die OECD die „Umverteilung über Steuer- und Sozialsysteme“. Hier muss sich die deutsche Wirtschaft noch auf einige Maßnahmen in den nächsten Jahren einstellen. Die Einbeziehung von Privatvermögen in die Erbschaftsteuerberechnung von Unternehmern ist nur ein erster Schritt. Die Abschaffung der Abgeltungsteuer kommt, und auch eine Vermögensabgabe ist nicht auf Dauer vom Tisch. Denn auch bei den Vermögenswerten klafft die Schere immer weiter auseinander. „Die Divergenz in der Entwicklung der Vermögenswerte innerhalb der Bevölkerung nimmt weiter zu“, schreibt die Research-Abteilung des Vermögensverwalters Flossbach von Storch. Die Vermögenspreisinflation sei mit 7,3% im 1. Quartal gegenüber dem Vorjahresquartal auf dem Weg zu einem neuen Rekordhoch. Die Vermögenspreise wohlhabender seien deutlich stärker gestiegen als die ärmerer Haushalte. In Deutschland machte die wohlhabendste Schicht im 1. Quartal das mit Abstand kräftigste Plus. Ihr Vermögen wuchs um 8,9%. Ausschlaggebend war der hohe Anteil von Betriebsvermögen von 22,3%. Es folgt die obere Mittelschicht mit einem Plus von 6,1%, dann die untere Mittelschicht, deren Vermögensbestand um 3,7% zulegte. Laut OECD besitzen die reichsten 10% der Deutschen 60% der Nettohaushaltsvermögen. Im OECD-Schnitt sind es 50% der Vermögen. Treiber der wachsenden Ungleichheit bei den Vermögen ist die Geldpolitik der Notenbanken. Sie schwemmt Billionen in die Märkte. Diese blasen die Vermögenspreise auf. Das kommt vornehmlich den Reichen zugute. In institutionellen Anlegerkreisen rechnet man fest damit, dass die Zinsen noch lange niedrig bleiben und die Vermögenspreise weiter kräftig steigen werden – der Effekt also anhält. Dies aber wird die Politik weiter stillschweigend akzeptieren. Die EZB hält mit Ankäufen von Staatsanleihen auf dem Markt die Zinsen unten. Damit will sie das Wachstum antreiben – Kredit ist billig –, aber natürlich auch die Zinslast von den nationalen Haushalten nehmen.
Fazit: Der Druck wird wachsen, die Löhne in Deutschland nach oben zu treiben und die aus der Geldpolitik der Notenbanken resultierenden Vermögensgewinne teilweise abzuschöpfen und umzuverteilen.