Beiersdorf ganz ohne Schminke
Die Börse kennt Beiersdorf als profitablen Kosmetik-Hersteller, mit hoher Eigenkapitalquote und solidem Umsatz vor allem durch die Kosmetikmarken Nivea, Eucerin und 8x4. Doch so vertrauenswürdig die Marke Nivea auch ist, die Kritik zu Inhaltsstoffen (z.B. Aluminium, Parabene, Nanopigmente) und die Klagen über Verbrauchertäuschung sind doch Zeichen, dass das nicht immer so bleiben muss.
Das Motto „We care" zielt auf die Bereiche „Products, Planet, People" und will den Verbraucher mit dem sogenannten „Nivea-Versprechen" binden. Damit bleibt man beim Marketing stehen. Nötig wäre aber eine aussagefähige Darstellung des Compliance Risikomanagement-Systems im Geschäftsbericht. Auch der Vorstand sollte sich des Themas besser annehmen und seine Awareness kommunizieren.
Verhaltenskodex
Jeder Mitarbeiter möge sich so tadellos verhalten, dass darüber morgen ein Bericht in der Zeitung stehen könnte, heißt es sinngemäß im Verhaltenscodex (S. 7). Durch den zieht sich ein lockerer „blauer Faden", der eigentlich ein roter Faden ist. Die Anweisungen sind leider oft wenig konkret („nutzen Sie standardisierte Prozesse optimal") und es gibt kaum Hinweise auf die Implementierung des COC im Unternehmen. Sehr auffällig ist, dass es keinerlei Hinweise auf Meldesysteme gibt.
Lieferantenkodex
Ein ordentlicher Supplier Code, der eindeutige Verpflichtungen an den Lieferanten stellt. Sehr gut ist, wie konsequent auf internationale Richtlinien verwiesen wird. Zu Abzügen kommt es allerdings vor allem wegen der nur knappen Informationen zu Sanktionen und Sublieferanten und wegen der kargen Hinweise zum Überwachungssystem: Die Formulierungen sind allerdings klar und auch bindend. Es werden zwingende Formulierungen gewählt wie z.B. „Nicht geduldet".
Wo sind Kennzahlen zu Audits oder Vor-Ort-Überprüfungen? Ferner fehlt ein Hinweis zu einem Whistleblower-System für Lieferanten.
CMS Compliance-Management-System
Das für Compliance zuständige Mitglied des Vorstandes kümmert sich auch noch um Finanzen, Controlling, Recht, IT und Qualitätssicherung. Ein bunter Themenstrauß. Kein Wunder, dass im Geschäftsbericht von Compliance-Risiken im Zusammenhang mit der (kurzen) Darstellung des Risikomanagement-Systems keine Rede ist. Auch unter „rechtliche Risiken" finden sich lediglich Haftungsrisiken aus konkret gegen das Unternehmen geltend gemachten Schäden. Das war's.
Eine Compliance-Kultur scheint es nicht zu geben. Allein die umfangreiche Liste des Anteilsbesitzes der Beiersdorf AG (am Ende des Geschäftsberichtes) zeigt die hohe internationale Komplexität des Konzerns, so dass eine gesonderte Compliance-Risikoanalyse dringend angezeigt ist.
Kommunikation
Die öffentliche Kritik zu Kosmetik-Inhaltsstoffen (z.B. Aluminium, Parabene, Nanopigmente) hat zugenommen. Als Reaktion darauf veröffentlicht Beiersdorf FAQs, in denen zu verschiedenen Themen kompetent Stellung bezogen wird. Die FAQs sind zwar nicht dialogorientiert, gehen aber sachlich auf die Probleme ein, etwa auf Aluminium in Anti-Transpirantien, auf Mikroplastik und auf Parabene in Kosmetik- und Hautpflegeprodukten.
Auch der Palmöl-Verbrauch von Beiersdorf wird thematisiert und dass man sich an das Verbot der Tierversuche hält. Das ist nicht immer befriedigend, etwa wenn auf der Webseite unter der Überschrift „Pflege ohne Mikroplastik" behauptet wird, man setze „keine Polyethylen-Artikel" mehr ein, aber andere Kunststoffe, etwa Nylon, weiterhin nutzt. Dennoch: die Auseinandersetzung wird nicht gescheut.
Fazit: Das Herzstück der Compliance, das CMS, schlägt beim Konsumriesen Beiersdorf leider nur sehr schwach. Der Investor muss den Stillstand fürchten. Daher hohes Risiko.
Hinweis: Die Untersuchung wurde im Juli 2017 abgeschlossen. Nachträglich veröffentlichte Dokumente wurden nicht systematisch begutachtet. Erläuterungen zur Risikokennzahl, zum Rating und zu den Auswertungskategorien finden Sie hier.