Compliance-Risiken bei Munich RE unterbelichtet
Die Sanierung der Tochter Ergo, teure Großschäden und fallende Preise für die Rückversicherung belasteten zuletzt die Ertragslage. Die Zukunft sieht der Konzern in digitalen Geschäftsmodellen: Führend sind die Münchener bereits bei Cyberversicherungen gegen Hackerangriffe. Die Munich Re forscht zur Früherkennung von komplexen, neuen Risiken und verfügt bei „Emerging risks" über hohe Kompetenz.
Da überrascht es, dass die Compliancerisiken im eigenen Risikobericht unterbelichtet sind, zumal in den neuen digitalen Geschäftsfeldern rechtliches Neuland betreten wird. Bei Ergo leistete man sich in der Vergangenheit einige Rechtsstreitigkeiten wegen Falschberatung. Peinlich, dass die Hauptversammlung das Vergütungssystem des Vorstands ablehnte, weil eine kleine Gruppe altgedienter Manager sich gegenseitig versorgt.
Verhaltenskodex
Knapp, unpersönlich und juristisch. Beispiele zur Erläuterung spart man sich. Im Anhang sind die Prinzipien des UN Global Compact abgedruckt, ohne dass klar wird, warum - nur wenige der Prinzipien spiegeln sich in konkreten Regelungen wieder. Die besondere Vorbildfunktion von Führungskräften wird angesprochen, versteckt sich aber im 2. Halbsatz von Satz 2 der Ziffer 14 Buchstabe a). So bescheiden ist der Vorstand der Münchner Rück sonst gar nicht.
Lieferantenkodex
Der Kodex inkorporiert die zehn Prinzipien des UN Global Compact. Dies beinhaltet: Menschenrechte, Vereinigungsfreiheit, Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Diskriminierung, Umweltschutz, Korruption. Aber es fehlen Verweise auf das Wettbewerbsrecht sowie auf Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sowie Arbeitszeiten.
Die Vorschriften werden nicht näher erläutert; zudem gibt es nur eine deutsche und eine englische Version. Nach einigem Suchen findet man auf der Homepage ein Whistleblower-System, das zwar professionell gemacht ist, aber im Unklaren lässt, ob es auch für Lieferanten gilt..
CMS Compliance-Management-System
Auf den ersten Blick eine gut gestaltete Seite zum Compliance Management, die mit dem Risikobericht und dem Nachhaltigkeitsbericht verlinkt ist, so dass sich die Informationen erschließen. Auf den zweiten Blick fällt auf, dass zu den eher allgemeinen systemischen Angaben leider nur wenige Zahlen, Daten und Fakten berichtet werden.
Am Ende wird das CMS nicht genügend konkret. Der Compliance-Chef berichtet direkt an den Vorstand, und die Mitglieder des Prüfungsausschusses beraten sich auch in Abwesenheit des Vorstands sowohl untereinander als auch zusammen mit dem Leiter Group Audit, dem Group Chief Compliance Officer, dem Group Chief Risk Officer und dem Abschlussprüfer. Da müsste eigentlich einiges zusammenkommen, aber die Informationen sind dann doch recht kurz gehalten und für einen Rückversicherer sind merkwürdigerweise auch die Ausführungen zu den Compliancerisiken schwach.
Kommunikation
Die Kommunikation zu den Investment-Auswahlkriterien könnte besser sein. Wie die ESG-Kriterien im Kerngeschäft gesteuert beziehungsweise kontrolliert werden, erschließt sich nicht. Über Rechtsstreitigkeiten, etwa bei Ergo wegen Falschberatung, geizt man mit Informationen. NGOs werfen Munich Re vor, ein Viertel der Versicherungssumme des umstrittenen Staudammprojekts Belo Monte oder 2.300 Hektar Felder in Brandenburg der KTG Agrar übernommen zu haben.
Dazu bekommt man lediglich den Gegenantrag kritischer Aktionäre zur Hauptversammlung per Suchfunktion zu Gesicht. Eine Auseinandersetzung mit Fragen des Landgrapping – immerhin besitzt Munich Re weltweit Anteile an Landflächen in Höhe von 100.000 Hektar – findet nicht statt.
Fazit: Das CMS ist bei den Münchnern zwar sehr ordentlich, aber der öffentliche Umgang mit Problemfällen ist grottenschlecht. In der Summe ein erhöhtes Investoren-Risiko.
Hinweis: Die Untersuchung wurde im Juli 2017 abgeschlossen. Nachträglich veröffentlichte Dokumente wurden nicht systematisch begutachtet. Erläuterungen zur Risikokennzahl, zum Rating und zu den Auswertungskategorien finden Sie hier.