Conti verschleiert seine Compliance-Maßnahmen
Der Reifenhersteller und Auto-Zulieferer steigerte in den vergangenen Jahren seine Eigenkapitalquote von 25 auf über 40 Prozent. Das familiengeführte Unternehmen baut Schulden ab und setzt auf solides Wachstum. Es legt wert auf hohe Produktqualität, auch zur Abwehr von Haftungsansprüchen, und hat alle Standorte nach ISO 9001 zertifizieren lassen. Doch wie geht Continental mit Compliance um? Der Eindruck überwiegt, dass man sich nicht in die Karten schauen lassen will. Ein Muss-Thema, das aufwändig ist und um Gottes willen nicht die über allem stehende Steigerung des Unternehmenswertes beeinträchtigen soll.
Wie fatal sich die Betrachtung aller Handlungsfelder allein unter Renditeaspekten erwiesen hat, kann Continental gerade bei Volkswagen besichtigen. Den Fortgang des Auto-Kartells beobachtet man aufmerksam. Prozesse über Preisabsprachen kennt man ja.
Verhaltenskodex
Ein formal guter Verhaltenskodex mit klarem Aufbau und vielen gut erläuterten und realitätsnahen Beispielen aus dem Unternehmensalltag - er stammt allerdings noch aus 2012. Leider finden sich nur wenige Ausführungen, die Rückschlüsse auf die Implementierung des Verhaltenskodex zulassen.
Der Verhaltenskodex deckt die wesentlichen Standardthemen ab, mit Ausnahme von Dokumentation von Geschäftsvorfällen, Geldwäsche und dem Umgang mit Insiderinformationen. Regelungen zu Spenden und Sponsoring fehlen, sind aber möglicherweise Teil der gesonderten Anti-Korruptionsrichtlinie. Ziffer 15 ordnet an, dass Verstöße grundsätzlich über die Anti-Korruptions-Hotline zu melden sind. Man fragt sich allerdings, warum heißt die Hotline „Anti-Korruptionshotline" heißt, wenn alle Themen dort zu melden sind?
Lieferantenkodex
Obwohl die allgemein üblichen Themen abgedeckt werden, ist insbesondere die Kürze der Vorschriften zu den Arbeitsbedingungen zu kritisieren. Die Formulierung: „Der Lieferant ist bestrebt..." ist nicht bindend genug, da man bestrebt sein kann, aber am Ende doch nicht gezwungen ist, diese Bestimmung einzuhalten. Weitere Schwachstellen sind das Fehlen von Hinweisen zur Überwachung sowie die zu knappen Vorgaben für Sublieferanten und zu Konsequenzen bei Verstößen.
CMS Compliance-Management-System
Interne Kontrolle, Risikomanagement sowie das Compliance-Managementsystem scheinen integriert zu sein. Auch ein Risikofrüherkennungssystem gibt es. Strukturen, Marktabläufe, geografische Region, externe Quellen (TICPI), Gespräche mit Management und Mitarbeitern auf allen Ebenen werden evaluiert. Das ist gut.
Es fehlt jedoch eine umfangreichere Darstellung konkreter Maßnahmen wie Schulungen, Audits, Trainings usw. Hier kommt auch negativ zum Tragen, dass eine spezifische Compliance-Unterseite fehlt. Es heißt zu den Vorfällen: „ Die Zahl ist kontinuierlich angestiegen". Das kann auch als Zeichen des gewachsenen Erfolgs der Compliancearbeit gedeutet werden. Konkrete Ziele und eine konkrete Compliance-Strategie werden nicht beschrieben.
Kommunikation
Die Continental AG berichtet nur in geringem Maße über die Auswirkungen auf die Umwelt. Was in Industrieanlagen abgeht, wird nicht thematisiert. Konkrete Kennzahlen werden nicht veröffentlicht, etwa über die Gewinnung von Naturkautschuk, was ökologisch und sozial sehr heikel ist. Auch über die Herkunft und die Produktionskette wird nicht berichtet.
Man hat nicht den Eindruck, dass Continental das alles egal ist, aber man möchte als nachhaltiges Unternehmen angesehen werden, das die Einhaltung der Standards dann aber doch gern in der weiteren Wertschöpfungskette den Zulieferern überlässt. Informationen über mutmaßliche Verfahren zu Preisabsprachen in Europa, USA und Japan sucht man vergebens.
Fazit: Unterdurchschnittlich zeigt sich dem Betrachter Contis Umgang mit Compliance. Überdurchschnittlich ist dafür das Risiko für den Investor. Autobranche eben.
Hinweis: Die Untersuchung wurde im Juli 2017 abgeschlossen. Nachträglich veröffentlichte Dokumente wurden nicht systematisch begutachtet. Erläuterungen zur Risikokennzahl, zum Rating und zu den Auswertungskategorien finden Sie hier.