RWE: Hintendran statt voRWEg
Nach der Aufspaltung in RWE und Innogy steht der DAX Konzern vor einer enormen Aufgabe: Die konventionelle Stromerzeugung und der Großhandel müssen saniert werden.
Tochter Innogy, an der RWE noch 77 Prozent hält, bekam den angenehmeren Part mit erneuerbaren Energien, Netzen und Vertrieb. Einerseits tritt man als Förderer der Energiewende auf, gegen die man aber andererseits klagt. So liefert der Konzern ein zwiespältiges Bild: nette Windräder hier und der Beteiligung an Blackhawk Mining dort, die zur Kohlegewinnung Bergkuppen wegsprengt.
Die neue Marktsituation erfordert einen Kulturwandel, um die Mitarbeiter auch unter erschwerten Rahmenbedingungen bei der Stange zu halten. Da ist das Compliance-Management besonders gefordert, steht dabei aber in allen Belangen noch recht am Anfang.
Verhaltenskodex
Ein unzureichender Verhaltenskodex, der mit minimalem Aufwand eine breite Themenpalette abzudecken versucht, sich aber zumeist in Programmsätzen und Lippenbekenntnissen erschöpft, ohne den Mitarbeitern konkrete Vorgaben zu machen oder Hilfestellungen anzubieten. Viele Standardthemen sind lediglich in den vorgeschalteten „RWE-Verhaltensgrundsätzen" kurz angetippt oder werden im Kodex mit einem knappen Satz „erschlagen". Vorstand und Führungsebene bleiben unsichtbar.
Lieferantenkodex
Mangels eines eigenständigen Lieferantenkodex muss die Prüfung auf der Basis des RWE Mitarbeiter Code of Conduct erfolgen. RWE schreibt recht schwammig, dass es seine Lieferanten auf seinen Mitarbeiter-Verhaltenskodex hinweist. Außer seiner Einbettung in internationale Richtlinien ist dieser Verhaltenskodex für die Lieferkette jedoch unzureichend.
Es hat viele Nachteile, wenn der Verhaltenskodex auch für die Lieferkette herhalten muss. Etwa beim Hinweisgebersystem: Sowohl die Verweise auf die Compliance Officer von RWE als auch auf einen externen Beauftragten gelten eher für eigene Mitarbeiter, da die Kontaktdaten all dieser Ansprechpartner nur im Intranet verfügbar sind.
Daher gibt es für die Lieferkette kein wirkliches Hinweisgebersystem. Der Code enthält nur äußerst vage Informationen zur Überwachung und zu Sanktionen und Sublieferanten.
CMS Compliance-Management-System
Von außen ist nicht wirklich ersichtlich, wer bei RWE für Compliance zuständig ist. Offenbar gibt es zwei Bereiche: Center of Expertise (CoE) Legal & Compliance oder doch die Interne Revision & Compliance.
Die Darstellungen sind verwirrend. „Tätigkeitsschwerpunkt der Compliance-Organisation bei RWE ist die Korruptionsprävention", heißt es. Darüber hinaus fehlen spezifische Ziele. Der Compliance Report verweist auf weitere Richtlinien (siehe S. 3): „Für compliance-relevante Themen wie z. B. den Umgang mit Beratern, Geschäftspartnern und Amtsträgern sowie die Durchführung von Spenden und Sponsoringmaßnahmen existieren Konzernrichtlinien".
Trotz intensiver Suche ließen sich diese Richtlinien nicht finden. Die Konzernrevision führt regelmäßig präventive Compliance-Audits in den Konzerngesellschaften durch. Hinweise auf Verstöße werden überprüft und Abhilfemaßnahmen im Rahmen eines systematischen Follow-Up-Prozesses veranlasst.
Kommunikation
Klimakiller Kohle steht bei RWE ganz oben auf der Agenda. Mit dem „Innovationszentrum Kohle" ist der Konzern hier sprachfähig. Auch zum „Korruptionssumpf im Kraftwerk RWE" wird Stellung bezogen. Anders steht es um Konfliktthemen wie Quecksilber und dessen Gesundheitsrisiken.
Soziale Fragen, wie Landraub und Zerstörung von Lebensräumen, werden nicht thematisiert. Ein proaktiver Umgang mit den wichtigen Themen ist das nur sehr beschränkt.
Fazit: Hintendran statt voRWEg ... Wenn Vorstände Herausforderungen suchen – bei RWE finden sie sie. Eine davon heißt Compliance. Und wie sagt der Investor? No risk no fun.
Hinweis: Die Untersuchung wurde im Juli 2017 abgeschlossen. Nachträglich veröffentlichte Dokumente wurden nicht systematisch begutachtet. Erläuterungen zur Risikokennzahl, zum Rating und zu den Auswertungskategorien finden Sie hier.