Stillleben setzt Akzente
Stillleben gehören zu den bedeutenden Sujets in der Bildenden Kunst - und sie sind bei vielen Sammlern besonders beliebt. Manche denken bei Stillleben eher an Ruhe, leis oder auch Memento Mori (Bedenke, dass du sterben musst). Andere wollen Stilleben (ja, mit zwei l geschrieben) eher vom Wortstamm Stil aus erklären.
Beiden Erklärungsversuchen dieser Kunstform gemein ist jedoch, dass ein unbelebter Gegenstand in den Mittelpunkt der künstlerischen Auseinandersetzung gerückt wird. Seien es Früchte, Haushaltgegenstände, tote Tiere, ein Totenschädel oder auch eine auf dem häuslichen Tisch vorgefundene Situation. Zu den ältesten Stillleben-Darstellungen zählen zweifellos Funde antike Boden- und Wandmosaike. Besonders eindrucksvolle Funde wurden in Pompeji in Italien gemacht. Auch die Vatikanische Museen in Rom verfügen über vorzügliche Beispiele der Mosaikkunst.
Viele Symbole: Bilder muss man lesen
Die Kunst des Stilllebens erfuhr über die Jahrhunderte hinweg inhaltliche und auch gestalterische Entwicklungen. In der Renaissance setzte man mit ausgeklügelten Licht-Schatten-Effekten auf eine fast dreidimensionale Wirkung des abgebildeten Gegenstandes.
Ebenso begann man gewisse Motive bzw. Gegenstände mit interpretatorischen Bezügen zu versehen. Zahlreiche Symbole und Allegorien bildeten sich heraus, die von den zumeist nicht lesen-könnenden Betrachter trotzdem enträtselt werden konnten. Dieses ikonografische Wissen ist dem heutigen Betrachter zumeist verloren gegangen und spielt im Rahmen einer guten Allgemeinbildung kaum noch eine Rolle. So waren die Sanduhr, der Totenkopf oder die erloschene Kerze als Sinnbilder des Todes und Niedergangs. Eine brennende Lunte stand für den fortschreitenden Verfall des Lebens, während Notenblätter auf den flüchtigen Genuss anspielten. Der Spiegel galt als Symbol für Eitelkeit, des Narzissmus und Stolzes und konnte je nach Kontext auch auf innere Erkenntnis und Magie verweisen. Bilder muss man lesen können. Wer Freude am Entdecken innerer Bildzusammenhänge hat, dem sei das Buch Bildlexikon der Kunst; Bd. 3 - Symbole und Allegorien (Parthas Verlag) empfohlen.
Bilder muss man lesen können
Das Stillleben ist kein Phänomen der alten Kunst. Zu den Ikonen der Gegenwartskunst zählt zweifellos "Die Kerze" von Gerhard Richter. Vincent van Gogh wurde in der Provence zu zahlreichen Früchtestillleben inspiriert. Der amerikanische Fotograph Robert Mapplethorpe ist ein Meister der Stillleben-Fotografie.
Manchen Künstlern gelang es sogar, mit Stilllebenmalerei zu einer unverwechselbaren Marke zu werden. Den niederländischen Maler Willem Claeszon Heda (1594-1680) wird jedermann sofort an seinen geschälten Zitronen und Gläsern erkennen. Der Italiener Arcimboldo (1526- 1593) wurde weltberühmt durch seine malerische Kombination von Blumen, Gemüse und Obst zu Gesichtern.
Die Kunst, ein Stillleben zu gestalten
Worin besteht die Kunst ein Stillleben zu gestalten? Stilllebenstudien waren jahrhundertelang ein fester Bestandteil der akademischen Ausbildung des künstlerischen Nachwuchses. Ziel dieser Ausbildung ist, die Fähigkeit des Künstlers zu formen, einen beliebigen Arbeitsgegenstand abzubilden und seine Komposition in einen größeren Gesamtzusammenhang zu stellen. Nicht die pure Reduktion auf Detailgenauigkeit als Ziel, sondern den Details einen inneren Sinn bzw. Ausdruck zu verleihen ist das Ziel. Dies unterscheidet z.B. die abertausenden Blumensträuße der Hobbymaler, von den komponierten Kunstwerken gestandener Künstler. Die heutige künstlerische Ausbildung an den Kunsthochschulen trägt jedoch leider nur wenig zur Fortentwicklung der Gattung des Stilllebens bei.
Stillleben als Kunst-Objekte
Bei der Gestaltung des häuslichen Umfeldes ergeben sich für die Stillleben weite Einsatzmöglichkeiten. Besonders in designorientierten-puristischen Küchen- oder Wohnlandschaften kann ein üppiges farbintensives Blumen- oder Früchtestillleben ein optisch attraktiver Kontrapunkt sein. Giorgio Morandi gelang es in wundersamer Weise Gefäße im Bild zu fassen.
Gelegentlich gibt es druckgrafischen Arbeiten von Morandi mit Stilllebenmotiven in Auktionen zu kaufen. In einer Preisspanne von 5.000 bis 35.000 Euro sind Arbeiten unterschiedlicher Qualität zu finden. Kraftvoll erscheinen die Stillleben von Werner Heldt. Seine diversen Fensterausblicke mit Mandoline oder Klavier rangieren in einer Spanne von 400 bis 3.000 Euro. Noch weitgehend unentdeckt sind die farbigen Gouachen und Aquarelle von Manfred Pietsch. Hier liegen die Preise in ähnlicher Höhe. Zu den wichtigsten Künstlern Ostdeutschlands mit unverwechselbarer Bildsprache zählt der Berliner Grafiker Walter Herzog. Kleinformatige grafische Stillleben sind in einer Preisspanne von 200 bis 800 Euro zu finden, Zeichnungen sind deutlich teurer. Aktuell zählt das Stillleben aber zu den eher unterrepräsentierten Gattungen.
Ausstellungsempfehlungen:
Saarbrücken, Saarlandmuseum Galerie der Moderne
- Katharina Große
- „Wolke in Form eines Schwerts“
- 2. April bis 4. September 2022
Den Haag, Kunstmuseum Den Haag
- „Mondrian Moves“
- 2. April bis 25. September 2022
Bremen, Museum Böttcherstraße
- „Luigi Colani und der Jugenstil“
- bis 19. Juni 2022