Die Inflation und die von ihr ausgelöste geldpolitische Wende erreicht exakt zu Beginn des vierten Quartals den Finanzmarkt. Die Inflation bleibt hoch, die Renditen an den Anleihemärkten steigen dynamisch. Allein in dieser Woche ist die US-Rendite für 10-jährige Anleihen von 1,31% auf 1,53% nach oben geschnellt. Zwar hat sich der Anstieg bereits wieder verlangsamt. Derart große Sprünge sind am Anleihemarkt aber selten und deuten auf große Umschichtungen hin.
US-Geldhüter sind verunsichert
Auslöser dieser Rendite-Rally war die US-Notenbank. Die Geldhüter scheinen reichlich unsicher über die Inflationsentwicklung zu sein. Denn Fed-Chef Jerome Powell erklärte am Dienstag, dass die Inflation "länger hoch" bleiben wird. Er nannte das "frustrierend" und deutete klar auf die Wechselwirkung zwischen "jobs and inflation" hin. Das war ein unmissverständlicher Hinweis auf die Sorgen der Fed vor einer Lohn-Preis-Spirale.
Der Druck auf die Fed wächst offensichtlich schneller, als die Währungshüter selber erwartet haben. Anders können wir uns das jüngste Statement nicht erklären. Schließlich hätte Powell vor wenigen Tagen nach dem Fed-Entscheid bereits so deutlich auf diese Entwicklung hindeuten können. Dass er es nicht hat, lesen wir als Indiz dafür, dass die US-Notenbank selbst "im Nebel stochert". Das bestätigt uns in unserer Einschätzung, dass die US-Geldhüter nicht im Ansatz ahnen, wie viel Reduktion der Anleihekäufe die Märkte "unfallfrei verkraften" (FK vom 23.9.).
Weniger Liquidität trifft auf rekordhohe Aktienkäufe auf Kredit
Das zwingt die US-Notenbank dazu, weitere Signale zur Reduktion der Anleihekäufe zu senden. Die Botschaft, dass es zu einer monatlichen Reduktion kommen wird, ist der nächste Versuch, den Börsianern die Kalkulation der Liquiditätsentwicklung zu erleichtern. Zugleich versucht die Notenbank so, Anleger dazu zu bewegen, Risiken abzubauen - und so sanft Luft aus den Kursen zu lassen.
Luft aus den Kursen ablassen, ohne einen "Knall" zu verursachen - das ist eine schwierige Mission für die Fed. Insbesondere in den USA sind viele Aktienkäufe per Kredit finanziert. Allein im August ist das Volumen der kreditfinanzierten Aktienkäufe um weitere 8% auf einen neuen historischen Rekord von 900 Mrd. US-Dollar gestiegen. Das zeigen die neuesten Daten der US-Börsenaufsicht FINRA. Im Jahr 2007 lagen sie bei 525 Mrd. US-Dollar. Das wird bei sinkenden Anleihekäufen und absehbar steigenden Zinsen zu einem ernsten Problem.
Inflationseinschätzungen kippen um
Aber auch in Europa beginnt sich die Inflationseinschätzung zu drehen. Reihenweise "kippen" die Research-Abteilungen in Banken um und gehen nun von höheren Inflationsraten aus - und dass sie längere Zeit hoch bleiben. Ausgelöst wird das ebenfalls durch einen angespannten Arbeitsmarkt und Lieferketten.
Für Anleger bedeutet das: Die Inflation ist gekommen, um zu bleiben. An den Finanzmärkten wird das zu einem Gezeitenwechsel führen. Der wird nur langsam sichtbar, die Kraft der Inflationswelle wird aber groß und ihre Dauer ausgedehnt sein. Das wird in viele Wirtschaftsbereiche ausstrahlen und weitreichende Auswirkungen an der Börse haben. Verstärkt wird dieser Gezeitenwechsel noch durch den staatlich forcierten Zug zu mehr Nachhaltigkeit - sowohl in der Wirtschaft, als auch an den Finanzmärkten.
Gezeitenwechsel an den Märkten
An den Börsen sollten Anleger mit Blick auf die nächsten drei Monate, aber auch auf das Jahr 2022, die Anlageklassen jetzt neu gewichten. Anleihen sollten abgebaut werden, außer inflationsgeschützte Papiere (vgl. Grafik). Auch Tech-Titel gehören jetzt untergewichtet. Im Gegenzug favorisieren wir auf Aktien, die zu den Inflationsgewinnern gehören werden. Dazu zählen Rohstoff-Werte, Banken, Telekom- und Versorgerwerte. Außerdem setzen wir in der Asset Allokation für das nächste Jahr auf REITS, denn in diesen Immobilien-Aktien kommen Substanz und Ausschüttung zusammen. Auch Gold, Silber und Kryptowährungen gehören in ein großes Portfolio.