Die Aktienmärkte differenzieren sich gerade auffällig. Das ist ein Warnsignal und wir lesen das als deutliches Anzeichen der bevorstehenden Sommerkorrektur. Der Blick auf die Indizes zeigt: Die NASDAQ klettert ungestüm aufwärts, hat fast die Marke von 15.000 Punkten erreicht. Treiber ist die US-Notenbank, die ihre geldpolitische Perspektive klar gemacht und für längere Zeit weiter billiges Geld in Aussicht gestellt hat.
Auffällig ist aber der Verlauf der klassischen Börsen. Dow, S&P 500, DAX und Nikkei kommen nicht mehr signifikant vorwärts. Der DAX scheitert immer wieder bei 15.700 Punkten, der Verkaufsdruck auf diesem Niveau ist hartnäckig. Auch der Dow stößt sich bei 35.000 Punkten immer wieder den Kopf. Der Nikkei hat bereits nach unten gedreht (FK vom 12.05.).
Realwirtschaft mit Logistikproblemen
Das zeigt ganz klar: Die Realwirtschaft hat kurzfristig kein Börsenpotenzial mehr. Hinter dieser Entkopplung stecken handfeste Gründe. Die Ursachen sind auf den Weltmeeren zu finden. Dort zeigt sich, dass die globale Logistik gerade in dicken Schwierigkeiten steckt. Die Blockade des Suezkanals war nur ein kleiner "Nadelstich", gravierender sind die Auswirkungen der Hafensperrungen (wg. Corona) in China. Dort ist der Hafen Yiantan seit Wochen massiv gestört und zu großen Teilen dicht.
In vielen Bereichen sind die Lieferketten extrem angespannt, zum Teil sogar gerissen. Wir haben uns ein eigenes Bild verschafft und diverse Speditionen und internationale Versender befragt. Alle sagen uns dasselbe: Es herrscht akuter Container-Mangel, es gibt kaum Paletten. Die Frachtraten steigen steil, dennoch Fragen Kunden nicht mehr nach dem Preis. Ein Gewährsmann erklärt uns die Kundenposition: "Der Preis ist egal, Hauptsache ich kann liefern."
Unternehmen haben Produktions- und Lieferengpässe
Die Logistik-Lage ist derart angespannt, dass große Einzelhändler ihre Kunden bereist auf Preiserhöhungen wegen der Frachtraten und sogar auf leere Regale vorbereiten. Es könnten also bald wieder Zettel bei Aldi & Co. an den Eingangstüren hängen, dass "aufgrund globaler Logistikengpässe die Lieferung einiger Waren verzögert ist".
Diese Situation schlägt auch auf Mittelstand und Industrie-Unternehmen durch. Teilweise mussten Unternehmen bereits ihre Produktion drosseln, weil nicht genug Rohstoffe oder Vorprodukte ankommen. In diesem Umfeld nützen auch hohe Auftragseingänge nichts, wenn die Ware nicht oder nur verzögert produziert oder nur unter teuren Verzögerungen ausgeliefert werden kann. Auch niedrige Zinsen und viel billiges Notenbank-Geld sind in diesem Fall nicht hilfreich.
Börse bekommt Anlass für Korrektur
Wir haben den Eindruck, dass die Börsen dieses Szenario (Störungen in der Lieferkette und Inflationstreiber) noch nicht so recht auf dem Schirm haben. Denn die Logistik-Probleme werden sich erst allmählich zeigen. Erst nach und nach entsteht aus diversen Einzelmeldungen, die es schon zu lesen gibt, ein neues Gesamtbild. Das wird dann der - vielleicht für manchen Anleger sogar willkommene - Auslöser für die Sommerkorrektur sein.