Die Regeln des Marktes
Kunst ist eine ernstzunehmende, spezielle Anlageklasse, an der sich die Gemüter scheiden. Einige Investoren preisen Kunst als sicheren Hafen, andere schimpfen, der Markt sei nicht zu durchschauen und elitär.
Im Grundsatz folgt der Kunstmarkt keinen eigenen Regeln. Zunächst wird sein Volumen durch das verfügbare Vermögen bestimmt. Die Summe aller Nettogesamtvermögen in Deutschland beträgt im Durchschnitt 214.500 Euro je Haushalt (Bundesbank). Insgesamt liegt das Nettovermögen bei rund 8 Billionen Euro (EZB). Aber: Die unteren 50% der Haushalte verfügen nur über rund 1% des gesamten Nettovermögens. Die vermögensstärksten 10% besitzen dagegen mehr als die Hälfte des gesamten Nettovermögens.
Großteil der Bevölkerung fallen aus der Käufergruppe raus
Kunstinvestments sind aber nur für eine kleine Gruppe möglich. Etwa 90% der Bevölkerung fallen als Käufergruppe für den Kunstmarkt aufgrund zu geringer Vermögen aus. Ein Blick auf das laufende Einkommen bestätigt das Bild. 2016 lag das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen bei 3.703 Euro. Der durchschnittliche Einkommensbezieher kommt damit als potentieller Kunstkäufer kaum infrage. Typische private Kunst-Investoren sind erfolgreiche Unternehmer oder auch Erben.
Entsprechend fokussiert ist die Nachfrage. Das Gros der getätigten Umsätze konzentriert sich auf immer weniger, dafür aber marktstarke Protagonisten. Der Boom bei hochpreisigen und qualitativen Spitzenobjekten setzt sich kontinuierlich fort. Im Handel boomen einige ausgewählte Spitzengalerien und Auktionshäuser. Kleine und mittlere Adressen haben es dagegen immer schwerer, sich dauerhaft am Markt zu behaupten.
Mittelfristige Auswirkungen auf Liquidität
Dies hat mittelfristig Auswirkungen auf die Liquidität des Kunstmarktes. Immer weniger, meist internationale Marktteilnehmer bestimmen die Umsätze. Der Einfluss konjunktureller Ereignisse wird ebenso steigen. Beispiel: In der Finanzkrise 2007-2009 blieb ein Großteil potentieller Käufer dem Markt vorerst fern. Darum fehlte es an Liquidität. Heute erklären sich die exorbitant gestiegenen Preise für die Blue-Chips des Kunstmarktes oft nur noch aus einem eklatanten Überhang an billigem Geld oder auch dem Repräsentations- und Statusgebaren einiger hundert Superreicher.
Die exorbitanten Preissteigerungen im Top-Segment wecken Begehrlichkeiten und führen zu einer massiven Angebotsausweitung. Es ist eine Inflation der Kunstproduktion zu konstatieren. Der Anteil der Kunstproduzierenden am Anteil der deutschen Bevölkerung war noch nie so hoch wie heute. Aber: Wie soll der Markt dauerhaft die Millionen Arbeiten auf Papier, Fotos, Ölbilder etc. aufnehmen und gut bezahlen? Und über die Qualität dieser Produktionen haben wir noch gar kein Wort verloren...
Demographisches Risiko
Langfristig relevant wird das demographische Risiko. Das wird sich am stärksten bei Durchschnittskunst niederschlagen. Ältere werden seltener auf die Kauf, sondern eher auf die Verkäuferseite treten. Sie bieten ihre Schätze Galeristen und Auktionshäusern an. Allerdings sind die Geschmäcker der nachfolgenden Generationen oft andere. Schätze der Eltern können so schnell zu einem Ladenhüter mutieren. Nur Topqualitäten und seltene Objekte werden auf der Gewinnerseite stehen.
Fazit: Der Kunstmarkt funktioniert nach den gleichen Regeln wie andere Märkte. Die relativ geringe Anzahl der Akteure hat aber zur Folge, dass strukturelle Veränderungen besonders stark wirken.