Maschine statt Mittelschicht
Denkende und selbständig handelnde Maschinen sorgen dafür, dass die gesellschaftlichen Mittelschichten weltweit austrocknen.
Denkende und selbständig handelnde Maschinen sorgen dafür, dass die gesellschaftlichen Mittelschichten weltweit austrocknen. Ihre Jobs fallen sukzessive und neuerdings beschleunigt weg. Zu diesem Schluss kommen Andrew McAfee und Erik Brynjolfsson – zwei renommierte Ökonomen für Innovationssysteme an der Technischen Hochschule in Massachusetts (MIT). Um dem entgegenwirken zu können, müsse eine neue Alphabetisierungswelle, diesmal im IT-Bereich, einsetzen. Von dem benannten Trend kann sich ab heute jeder auf der Hannover Messe überzeugen. Der Messetitel „Industrie 4.0“ steht für Maschinen und ganze Fabriken, die standortübergreifend und menschenunabhängig miteinander kommunizieren können. Sie stimmen komplexe Prozesse aufeinander ab und treffen, wenn es nötig ist, eigenständig Entscheidungen. Das Arbeiten bringen sie sich gegenseitig bei. Die Situation gleiche jener beim Übergang vom Agrar- ins Industriezeitalter, sind McAffee und Brynjolfsson überzeugt. Auch damals fielen hunderttausende Jobs auf dem Land und in Manufakturen den effizienteren Maschinen zum Opfer. Die ehemaligen Handarbeiter und Analphabeten zogen in die Städte, bildeten dort das Proletariat, bis sie die Chance bekamen, sich aus- und fortzubilden. Seit den 1970er Jahren sinkt weltweit der Anteil der Arbeit am BIP. Gemeint sind damit alle durch Arbeit generierten Einnahmen. Laut neuesten Berechnungen ist dieser Anteil in den USA von 66,3% auf 61%, in Japan von 64% auf 57% und in Deutschland von 68% auf 60% zurückgegangen. Das führte zu einer immer größeren Konzentration der Erträge auf immer kleinere Gruppen. Gerade in den von der IT-Technologie vorangetriebenen neuen Märkten ist eine starke Beschleunigung dieses Trends zu erkennen. Hier konzentriert sich das Vermögen in der Hand ganz weniger, behaupten die Autoren. Ein Beispiel: Das Unternehmen What’sApp beschäftigt nur 55 Menschen. Es hat in einem Jahr 450 Mio. Dollar Umsatz generiert und wurde für 19 Mrd. Dollar übernommen. Diese Entwicklung wird sich nach Einschätzung der Autoren weiter verschärfen. Vor allem Menschen mit einer durchschnittlichen Ausbildung hätten die Folgen zu tragen. Facharbeiter, mittleres Management, selbst einfache Richter würden immer weniger gebraucht. Sie sind die Bauern und Weber von heute. Denn ihre Aufgaben können zunehmend Maschinen erledigen – zuverlässig und kostengünstig. Um einer neuen Mittelschicht eine Chance zu geben, müsse in der Gesellschaft eine Umschichtung vonstatten gehen. Denn technikaffine Fachkräfte sind weltweit Mangelware. Doch das heutige Bildungssystem kommt den neuen Herausforderungen nicht nach, so die Autoren.
Fazit: Es ist an der Zeit, Bildung neu zu denken. Sonst drohen immer größere Teile der Gesellschaft auf der Strecke einer neuen Technologieära zu bleiben.