Die Riege der Befürworter eines von der EZB gesteuerten Euro-Wechselkurses wird größer. Am Mittwoch sagte Jean-Claude Juncker, Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) für die Europawahl, er würde als Kommissionspräsident den Euro-Finanzministern empfehlen, „Richtlinien“ für den Wechselkurs vorzuschreiben, sollte der Euro „zu stark“ werden. Was „zu stark“ genau heißt, ließ Juncker offen.
Junckers Motiv dürfte die Suche nach einem Wahlkampfschlager für Europas Peripherie sein. Seine EVP liegt derzeit in gesamteuropäischen Umfragen in etwa gleichauf mit den Sozialisten seines Konkurrenten Martin Schulz. Der EU-Parlamentspräsident kommt gerade in den Krisenländern aber deutlich besser an. Dort erhofft man sich vom SPD-Mann, dass eine EU-Kommission unter seiner Führung eine stärker auf Wachstum ausgerichtete Wirtschaftspolitik betreiben würde. Kein Wunder also, dass Juncker seinen Vorschlag in Paris vorgestellt hat. Die französische Regierung fordert seit Langem ein europäisches Wechselkursregime.
Beim deutschen Wahlvolk macht sich Juncker mit seiner Aussage keine Freunde. Die Unabhängigkeit der Notenbank ist in Deutschland eine Heilige Kuh, die niemand ernsthaft zur Schlachtbank führen würde, der sich einen Wahlerfolg erhofft. Juncker vertraut auf den Merkel-Faktor. Dieser wird der Union und damit der konservativen Parteienfamilie ein gutes Wahlergebnis bescheren – egal, ob Juncker nun in Deutschland beliebt ist oder nicht. Er taucht ohnehin kaum auf Plakaten auf.
Tatsächlich kann die Politik der EZB ein Wechselkursziel vorschreiben. Dieses Recht ist in den EU-Verträgen angelegt. Laut Art. 219 kann der Ministerrat der EZB „allgemeine Orientierungen“ für die Wechselkurspolitik gegenüber anderen Währungen geben, solange dies nicht die Preisstabilität gefährdet.
Die Bundesregierung hat bereits mehrfach betont, dass sie einen solchen Vorstoß im Ministerrat blockieren würde. Wir halten das Dementi der Bundesregierung für glaubwürdig. Bei unseren Recherchen in Berlin erhalten wir eindeutige Signale, dass die Bundesregierung eine Wechselkursvorgabe tatsächlich auf keinen Fall mittragen würde.
Fazit: Der politische Druck auf die EZB wird zwar hoch bleiben. Für ein echtes Wechselkursregime wird es aber innerhalb der europäischen Institutionen auf absehbare Zeit keine Mehrheit geben. Junckers Wechselkurs-Vorstoß wird ein Wahlkampfschlager mit begrenzter Halbwertszeit sein. Der deutsche Außenhandel sollte sich darauf einstellen, dass der Euro noch für längere Zeit auf hohem Niveau bleibt.