Die Industrie kommt zurück nach Berlin
Berlin ist für die Industrie wieder eine erste Adresse. Das zeigt nicht zuletzt die jüngste Investitionsentscheidung von Siemens. Für 600 Mio. Euro soll der traditionsreiche Standort Siemensstadt ausgebaut werden. Mittelständische Unternehmen und Startups sollen hier eine neue Heimat finden, dazu Forschungseinrichtungen sowie neue Wohnungen und Einkaufsgelegenheiten. Der Stadtteil soll mit hoher technischer Vernetzung ein Beispiel für das zukünftige Leben und Arbeiten in der Stadt sein.
Damit ist die Hauptstadt wieder auf dem langen Weg zurück zu alter (Wirtschafts-)Größe. Vor dem Weltkrieg verbanden sich neben Siemens (einst) klangvolle Namen wie Borsig, AEG, Telefunken, Deutsche Bank, Lufthansa, Schering mit der Hauptstadt. Nach dem Krieg verlegten alle bis auf Schering ihren Sitz in den sicheren Westen BRD. Jetzt zieht der Magnet Berlin mit seiner Kreativkraft, seinem Arbeitskräftepotenzial, den drei Universitäten, dem reichen Kultur- und Szeneleben, der Start-Up-Kultur, dem Erfindergeist auch wieder große Industriefirmen an. Nicht ausgeschlossen, dass auch Verwaltungssitze in die Hauptstadt verlegt werden.
Zusammenarbeit mit Startups gesucht – Stadt im Aufschwung
Besonders die Zusammenarbeit mit Startups und Forschungseinrichtungen zieht Großunternehmen an. Im Juli dieses Jahres eröffnete der Bosch IoT Campus. Dort bringt der Stuttgarter Elektrokonzern mit 300 Mitarbeitern den Kunden Produkte und Wissen zu Internet of Things und digitaler Transformation nahe. Start-Ups arbeiten im Campus mit. Hinzu kommen weitere derartige Knotenpunkte wie H:32 für Fintechs.
Die Stadt erlebt einen starken Aufschwung. In den letzten zehn Jahren wurden 400.000 Jobs neu geschaffen, ein Zuwachs von 37% gegenüber 20% bundesweit. Auch Industriearbeitsplätze nehmen zu. Das Wirtschaftswachstum erreichte 2017 satte 3,1% und lag damit im vierten Jahr in Folge über dem Bundesdurchschnitt. Allerdings kommt Berlin aus einer tiefen Krise. 2016 sank die Arbeitslosenrate erstmals seit vielen Jahren unter zehn Prozent und liegt aktuell immer noch bei 7,7%.
Politik nicht immer wirtschaftsfreundlich – Titel als deutsche Gründermetropole ungefährdet
Die Politik spielt eine zwiespältige bis kontraproduktive Rolle. Sie gestaltet bisweilen sinnvolle Rahmenbedingungen. So lobte Siemens die Flexibilität beim Denkmalschutz und die Bereitschaft, den Nahverkehr auszubauen. Die staatliche Förderbank IBB ist für die Finanzierung von Start-Ups sehr wichtig. Aber die Wirtschaftsverbände klagen regelmäßig über mangelnde Unterstützung durch den Senat. Die Bürokratie ist wenig effizient und daher zeitraubend. Der Einfluss der Berliner Bezirke zu groß. Und die ach so weltoffene Szenekultur verhält sich in Wirtschaftsfragen wie ein Kuhdorf.
Den Titel als deutsche Gründermetropole wird die Hauptstadt allen Unkenrufen zum Trotz behalten. Nachteile – hier werden häufig die gestiegenen aber im Metropolenvergleich immer noch moderaten Mieten angeführt – werden durch ein wachsendes Gründer-Ökosystem mehr als ausgeglichen. Erfolgreiche Gründer unterstützen als etablierte Unternehmer die nachrückende Generation mit Geld und Know-how. Berlin zieht weiterhin junge Leute aus aller Welt an, die hier studieren, arbeiten und feiern möchten.
Fazit:
Die Investitionsentscheidung von Siemens unterstreicht die dynamische Entwicklung der Berliner Wirtschaft. Wir sind überzeugt, dass der Sog erst noch richtig einsetzt.