Der steigende Eurokurs hat den Anlegern in Europa die Laune verdorben
EZB-Präsident Mario Draghi hat heute (Donnerstag) Beruhigungspillen verteilt. Die Notenbank geht bei ihrer Mission ein wachsendes Glaubwürdigkeitsrisiko ein.
Der steigende Eurokurs hat den Anlegern in Europa die Laune verdorben. Der Sprung der Gemeinschaftswährung über die langjährige Hürde bei 1,15 EUR/USD eröffnet ein neues Währungsszenario (vgl. S. 2) und verstärkt darum die Sorge vor einem zügig erstarkenden Euro. Die Probleme, die damit einhergehen und die Börse belasten, hatten wir Ihnen an dieser Stelle schon skizziert (FK vom 06.07.).
EZB-Präsident Mario Draghi hat heute (Donnerstag) Beruhigungspillen verteilt. Nach dem EZB-Treffen betonte er, dass die europäische Konjunktur auf einem guten Erholungsweg sei. Dennoch habe die Inflation noch nicht das Ziel der Notenbank erreicht. Wobei die EZB ja nun auf die nach unten gedrückte Inflation mit Energiepreisen achtet. Das mache weiter eine lockere Geldpolitik nötig. Zudem stehe die EZB bereit, bei einer konjunkturellen Verschlechterung stärker einzugreifen.
„Super-Mario“ hatte für jeden Marktbeobachter eine Botschaft im Gepäck. Unter dem Strich sind die Geldhüter aber weiter mit Rückzugsgefechten beschäftigt. Sie versuchen, den Euro schwächer zu reden und die Märkte zu beruhigen. Allerdings sehen wir, dass die Anzahl der Long-Positionen im Euro gegenüber Juni kräftig zugenommen hat. Die Frage ist, ob dies kurzfristige Trading-Positionen oder mittel- und langfristige Investments sind. Das entscheidet darüber, welche Richtung der Euro ab 1,15 für die nächsten Wochen einschlägt.
Am kommunikativen Schlingerkurs der EZB zeigt sich, wie heikel ihre Mission ist. Einerseits wird sie langfristig um einen Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik nicht herumkommen. Andererseits muss die EZB verhindern, dass ihr Kurswechsel nach fast einer Dekade ultralockerer Geldpolitik, die Anleihenkurse in den Abgrund stürzt. Dadurch würden die Renditen (also Finanzierungskosten) spürbar steigen.
Angesichts der Schuldenstrukturen von Eurostaaten muss die EZB einen steilen Zinsanstieg vermeiden. Der größte Problemfall ist dabei Draghis Heimatland Italien. De facto ist die EZB der einzige Marktakteur, der gerade in nennenswertem Umfang Staatsanleihen des Landes kauft. Zieht sich die Notenbank aus dem Anleihekaufprogramm zurück, werden die Refinanzierungskosten von Italien überdurchschnittlich steigen.
Interessant waren die Aussagen der beiden Chefs der milliardenschweren Staatsfonds Singapurs. Sie haben ihre Aktienquoten deutlich reduziert. Beide Staatsfonds sehen Korrekturrisiken an den Märkten. Der aktuelle Mix aus hohen Aktienbewertungen, einer extrem geringen Volatilität und der absehbaren Liquiditätsstraffung durch die Notenbanken (voran in den USA) spreche nicht für ungebremst weiter steigende Kurse.
Die Notenbank geht bei ihrer Mission ein wachsendes Glaubwürdigkeitsrisiko ein. Denn je stärker die konjunkturellen Rahmendaten in der Eurozone werden, desto wahrscheinlicher und zwingender wird ihr Wendemanöver. Das grundlegende Wende-Szenario ist darum intakt – und die Märkte haben das realisiert.
Fazit: Die verbalen Beruhigungspillen der EZB werden nicht lange wirken. Wir erwarten weiter eine DAX-Korrektur bis mindestens 12.000 Punkte.