Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
wenn ich derzeit mit Anlegern, Vermögensverwaltern und professionellen Investoren rede, dann höre ich immer wieder drei Sätze zur Markteinschätzung. Die Bandbreite der Meinungen reicht von "So kann es weitergehen!" über "Kann das so weitergehen?" bis hin zu "So kann das doch nicht weitergehen!". Und für alle drei Ansichten sprechen diverse gute Gründe.
Diesmal ist alles anders?
Allerdings - das lehrt mich meine jahrelange Erfahrung an den Finanzmärkten - gilt es immer dann besonders vorsichtig zu werden, wenn "zu viel des Guten" am Markt gibt und eine wachsende Zahl von Risiken nicht mehr wahrgenommen wird. Brenzlig wird es, wenn Risiken "wegdiskutiert" werden und es heißt, dass "diesmal alles anders" ist. Genau dieses Gefühl beschleicht mich derzeit.
Es scheint nur noch positive Botschaften zu geben. Die Konjunktur läuft, der Trend ist intakt, die Liquidität bleibt hoch. Tageszeitungen berichten von Bankumfragen, die alle neue Kursrekorde erwarten. Es kommen viele neue Kleinanleger in den Markt. Börsengänge boomen. Sogar neue Vehikel - SPACS, also Börsenmäntel - kommen mit Milliardenbewertungen an den Markt.
Die Anzeichen verdichten sich
All diese Botschaften können auch anders gelesen werden. Konjunktur ist eingepreist, der Trend läuft schon lange und wird immer steiler, die Liquidität könnte auch verknappt werden. Kleinanleger-Scharen sind oft die letzten, die auf einen rasenden Börsenzug aufspringen. Neue intransparente Vehikel mit denen viel Geld eingesammelt wird waren oft ein Endzeit-Phänomen bei Kursrallys.
Und es gibt handfeste Risiken: Steigende Zinsen bringen die Währungen in Wallung und Emerging Markets unter Druck. In der Türkei gibt es Unruhe am Finanzmarkt. Die jüngste Hedgefonds-Pleite war nur eine Randnotiz an den Märkten. Auch die Pleite der Greenshill-Bank. Soll das alles egal sein, ist diesmal alles anders? Ich denke nein. Es wird bisher nur ignoriert.