Hier können Sie zwischen der Ansicht für Geschäftskunden und Privatkunden wechseln.
Informationen und qualifizierte Einschätzungen zu Chancen und Risiken
030-288 817-20
Geschäftskunde
Privatkunde
0,00 €
2771
Individuelle EU-Schuldenregeln sind ein Sündenfall

EU auf dem Weg in den Schuldensozialismus

Am kommenden Freitag (30.6.) beraten die EU-Finanzminister über die Vorschläge der EU-Kommission für eine Reform des Stabilitätspakts. Was bei dieser Neuaushandlung der europäischen Schuldenregeln läuft, ist ein Akt staatlicher Piraterie. Gekapert wird die Bonität der soliden Staaten im Euro. Die Freibeuter stammen aus Frankreich, Italien und Spanien, meint FUCHS-Herausgeber Ralf Vielhaber.

Bei der Aushandlung der neuen Schuldenregeln wollen vor allem die drei Südländer Frankreich, Italien und Spanien maßgeschneiderte Lösungen. Man kann auch sagen: Sie wollen gar keine Regeln mehr. Denn darauf wird es in der Praxis hinauslaufen. Das lehrt die Erfahrung aus zwei Jahrzehnten. 

Feste Richtwerte zum Abbau der Schulden, wie sie der deutsche Finanzminister Christian Lindner (FDP) – glücklicherweise zusammen mit weiteren zehn Staaten in der EU – entschlossen fordert, lehnt insbesondere Frankreichs Finanzminister Bruno le Maire vehement ab. Das Ganze als „politisches Theater“ zu bezeichnen, wie es Michael Hager, Kabinettschef von Vladis Dombrovskis, tut, zeigt nur, welcher unselige Geist in Brüssel herrscht.

Regeln werden der Realität angepasst

Käme es dazu, würden im Nachhinein die Voraussetzungen vieler Staaten zum Eurobeitritt fallen. Man kann sagen, die Regeln werden der Realität angepasst. Ich formuliere es anders: Es geht um einen Freibrief, alle (noch) soliden Volkswirtschaften im Euroraum auszubeuten.

Deutschland und etliche andere Länder haben zumindest versucht, ihre Brutto-Verschuldung unter 60% zu halten. Deutschland hat eine Schuldenbremse eingeführt und sich auch regelmäßig an die Neuverschuldungsgrenze von 3% gehalten. Italien ist finanziell und wirtschaftlich schon als kranker Mann in den Euro gestartet und hat sich trotz des enormen Zinsvorteils, der mit dem Eurobeitritt verbunden war, nie auf einen wirklich soliden Finanzpfad begeben. Frankreich wollte von vorneherein das Joch der deutschen Bundesbank abstreifen und hat dieses Ziel Schritt für Schritt umgesetzt. Nicht zuletzt, indem Paris schon zweimal den Präsidenten der EZB stellte, der selbstverständlich auch politisch am Mutterland hängt.

Der Euro ist kein Spiel

Nicht ohne Grund gelten bei jedem Spiel gelten Regeln, und zwar für alle die gleichen. Sonst wird es unfair. Der Euro ist kein Spiel, umso ernster müssen gemeinsame Regeln genommen werden. Dass es für zahlreiche Euro-Beitrittsländer schwer werden würde, ohne die Möglichkeit zur Abwertung die Wettbewerbsfähigkeit aufrecht zu erhalten, war von Anfang an bekannt und ein zentrales Gegenargument gegen die Gemeinschaftwährung. Helmut Kohl (CDU) und Theo Waigel (CSU) haben sich dennoch aus politischen Motiven auf dieses Abenteuer eingelassen. Um die Zustimmung von Bundesbank und Wählern zu erhalten, haben sie das Regelwerk zum Euro über den grünen Klee gelobt und ernsthaft behauptet, dies würde die Solidität der Gemeinschaftswährung schützen. Nun darf man mindestens von der Union erwarten, dass sie die Regeln auch mit Zähnen und Klauen verteidigen.

Denn es geht auch um Fairness beim Wohlstand. Frankreich braucht auch deshalb so viel Geld für seinen Staatshaushalt, um seinen Bürgern einen aus deutscher Sicht ordentlich unterfütterten „vorzeitigen“ Ruhestand zu ermöglichen – auch nach der heftig bekämpften Reform wird das noch so sein. Bisher konnte man jenseits des Rheins mit 60 in Rente, oftmals sogar mit 58 Jahren. Die Franzosen erhalten 74% ihres letzten Nettogehalts als Rente – davon kann man hier nur träumen. Die Lebenserwartung ist zudem höher als hierzulande. Dafür gibt der Staat 13,4% seiner Wirtschaftsleistung an Zuschuss aus, Deutschland 10,4%.

Seit Corona kann die EU-Kommission eigene Schulden machen

Eine zentrale Barriere zu gemeinsamen europäischen Schulden ist während Corona bereits gefallen. Seitdem kann die EU-Kommission eigene Schulden machen. Bisher gilt das als einmaliger Fall, aber Frankreich und insbesondere Italien arbeiten diplomatisch schon großer Energie daran, die Ausnahme zur Regel zu machen. Mit individuellen Schuldenregeln droht der nächste gravierende Sündenfall. 

Mit individuellen Schuldenregeln wird der Schuldensozialismus in der EU endgültig Realität. Die Bundespolitik muss sich dieser Art von finanzpolitischer Trittbrettfahrerei vehement entgegenstemmen, meint Ihr Ralf Vielhaber.
Meist gelesene Artikel
  • Deutsche Privatbank auf Rang 1 im Markttest TOPS 2024

Weberbank auf Rang 1 im Private-Banking-Markttest TOPS 2024

Die besten Vermögensmanager im deutschsprachigen Raum 2024 stehen fest. © envato elements, Verlag Fuchsbriefe
Insgesamt 9 Anbieter mit sehr guter Gesamtleistung; Digitale Beratungsformen auf dem Vormarsch; Nachhaltigkeit in der Flaute
  • Fuchs plus
  • Die Ausgezeichneten in TOPS 2024

Neunmal Gold und sechsmal Silber

© Kristina Ratobilska / Getty Images / iStock
Wir wollen es nicht gleich eine Zeitenwende nennen. Aber im Private Banking im deutschsprachigen Raum zeichnet sich eine sichtliche Veränderung ab: keine Verschiebung, jedoch eine Angleichung der Kräfteverhältnisse auf Länderebene. Das spricht für gesunden Wettbewerb in einem beinahe identischen europäischen Rechtsrahmen. Und für mehr Auswahl auf Kundenseite.
  • Fuchs plus
  • Editorial TOPS 2024

Vertrauen ist das höchste Gut

Ralf Vielhaber. © Verlag FUCHSBRIEFE
Wer ein Familienvermögen übernimmt, sei es durch Erbschaft oder eine Schenkung „mit warmer“ Hand, der verspürt in der Regel nicht nur helle Freude. Mit dem Glücksgefühl geht gewöhnlich auch sofort die Last der Verantwortung über: bewahren, mehren und tradieren, was andere aufgebaut haben, das wollen die meisten, die ein zuvor aufgebautes Vermögen überantwortet bekommen. Ein Vermögemsmanager sollte das wissen – und sich entsprechend auf die emotionale Lage des Kunden einstellen.
Neueste Artikel
  • Fuchs plus
  • Chinas Deflation und die Auswirkungen auf unsere Preise

Wie lange profitiert der Westen von importierter Deflation?

Aufgestapelte Container, linker Stapel mit chinesischer Flagge, rechter mit US-Flagge. © narvikk / Getty Images / iStock
Die Preisentwicklung in den USA und im Euroraum hängt maßgeblich von der konjunkturellen Entwicklung Chinas ab. Der Rückgang der Preissteigerungsraten in den vergangenen Monaten liegt zu einem Gutteil an „importierter Deflation“. Davon werden beide Währungsräume voraussichtlich auch 2024 profitieren. Doch auf mittlere Sicht ist Vorsicht geboten. Das Pendel dürfte zurückschlagen.
  • Fuchs plus
  • Der Anlagevorschlag in TOPS 2024

Lackmustest für die Beratung

Der Anlagevorschlag ist der Lackmustest jeder Beratung. Er zeigt, ob der Kunde richtig verstanden wurde, ob dessen zentrale Wünsche vom Berater korrekt erfasst worden sind und ob sie passgenau umgesetzt werden. Hier hat es in diesem Jahr oftmals gehapert.
  • Fuchs plus
  • Chancen in der unterbewerteten Krone

Norges Bank hat noch Handlungsbedarf

Banknoten, 200 Norwegische Kronen. © Norges Bank
Anleger, die nach einer aussichtsreichen Anlagewährung Ausschau halten, sehen sich die Norwegische Krone an. Denn die Inflationsrate, die Konjunkturdaten und sogar die Lachs-Preise liefern eine interessante Indikation, meint FUCHS-Devisen.
Zum Seitenanfang