Bundesnetzagentur wird länger Gazprom-Treuhänder sein
Die Treuhänderschaft der Bundesnetzagentur über Gazprom Germania wird deutlich länger dauern als bisher geplant. Denn Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat mit seinem Markteingriff zunächst die Gasversorgung in Deutschland und weiten Teilen Europas inklusive Großbritannien sichergestellt. Der Preis dafür ist, dass sich Deutschland in ein nicht lösbares politisches Dilemma begeben hat.
Der Eigentumseingriff war nötig, weil es Anzeichen dafür gab, dass Gazprom sich von seiner Tochter trennen und diese abwickeln wird. FUCHSBRIEFE haben als erste über den geplanten Gazprom-Exit berichtet (FB vom 3.3.). Als das Wirtschaftsministerium von dem Eigentümerwechsel „Wind bekommen hat“, wurde sofort gehandelt. Etliche Beamte haben ein Wochenende durchgearbeitet, wissen wir. Direkt im Anschluss (4.4.) hat die Netzagentur auf Weisung des Wirtschaftsministeriums die Treuhänderschaft übernommen. Der Verkauf von Gazprom Germania wurde als „schwebend unwirksam“ eingestuft.
Prüffrist bis 30. September
Das Wirtschaftsministerium soll bis 30. September prüfen, ob die Änderung der Eigentumsverhältnisse bei Gazprom Germania nach dem deutschen Außenwirtschaftsgesetz zulässig ist. Die Netzagentur wird in dieser Zeit die Geschäfte führen. Dem Vernehmen nach greife die Netzagentur dabei nicht in die operativen Geschäfte ein. Allerdings hat Russland etliche Gazprom-Manager nach der Übernahme der Treuhänderschaft abgezogen. Parallel dazu wurde der auf den Gasmarkt spezialisierte E.ON-Manager Egbert Laege als Generalbevollmächtigter eingesetzt. Außerdem war direkt nach der Übernahme eine „hohe Bürgschaft“ nötig, damit Liquiditätsengpässe das Unternehmen nicht „plätten“, hören wir.
Die Bundesnetzagentur wird weit über den 30. September hinaus die Treuhänderin für Gazprom Germania bleiben. Das ist für FUCHSBRIEFE klar absehbar. Denn der Eigentumswechsel wurde von Gazprom nicht angezeigt, konnte darum nicht geprüft werden. Das ist ein Vertragsverstoß. Hinzu kommt, dass bei dem verschachtelten Deal nur 0,1% des Eigentums, aber 99,9% der Stimmrechte übertragen wurden.
Juristisch klar, politisch unlösbar
Die juristische Prüfung wird ergeben, dass der Eigentümerwechsel nicht umgesetzt werden darf. An eine Rückabwicklung des Deals ist aber nicht zu denken. Einerseits will Gazprom die deutsche Tochter loswerden. Andererseits ist es ein neues deutsches Ziel, sich möglichst schnell vom russischen Gas zu lösen. Deutschland will aber (derzeit) auch eine Enteignung oder Verstaatlichung der Gazprom-Tochter unbedingt vermeiden. Außerdem, so hören wir, wolle man auch „noch nicht alle Brücken zu Russland vollständig abbrechen.“ Russlands Präsident Wladimir Putin hat parallel dazu scharf vor einer „Verstaatlichung russischen Vermögens“ gewarnt.
Fazit: Deutschland hat sich mit einem zwingenden Motiv bei dem Gazprom-Manöver in eine Sackgasse gefahren. Juristisch ist das Prüfergebnis klar. Politisch ist das Problem unter den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht lösbar. Darum wird die Prüfungsfrist prolongiert und der Schwebezustand verlängert – möglicherweise immer wieder und auf Jahre hinaus.