Rentenrechnung mit Schlagseite
Das hört man selten: Wer länger arbeitet, belastet über Gebühr das Rentensystem. Die Aussage kommt nicht von irgendwem. Aufgestellt hat die These das renommierte Institut für Weltwirtschaft (IfW). Das Problem: Die Kieler fokussieren ausschließlich auf die Wirkungen in der Rentenversicherung. Und tun so, als sei diese ein abgeschlossenes System. Macht man aber die Gesamtrechnung auf, ergibt sich: Das eine Jahr Mehrarbeit bringt ein ordentliches Plus für Steuer- und Sozialsysteme.
Die Kieler Rechnung lautet: Ein Mann bekommt regulär mit 65 Jahren eine Rente von 1.281 Euro. Arbeitet er ein Jahr länger als nötig und erreicht das statistische Durchschnittsalter von 83 Jahren, zahlt sich das bei der Rente ordentlich für ihn aus. Dann erhält er nach den Berechnungen des IfW während der Rentenzeit etwa 6.500 Euro mehr aus der Rentenkasse. Brutto. Davon ziehen die Kieler ab, was er in dem Jahr zusätzlich in die Rentenversicherung einzahlt: nach vorsichtiger Rechnung sind das 3.100 Euro ein. Verbleiben netto über 17 Jahre insgesamt etwa 3.400 Euro mehr, p.a. also 200 Euro.
Versicherungsmathematik der Rentenversicherung passt nicht mehr
Die Kieler reiben sich am veralteten Faktor, der dem Rentenzuschlag zugrunde liegt. Er stammt aus den 1980er Jahren, als die Lebenserwartung deutlich geringer war als heute. Weiterarbeiten bringt demnach pro Monat 0,5% mehr Rente. Nach einem Jahr also +6%. Daraus ergibt sich die überproportionale Rentenzahlung bis zum statistischen Lebensende.
Steuern und Sozialabgaben fehlen in der Rechnung ganz
Das mag so sein, führt aber in die Irre. Denn das Rentensystem ist nicht geschlossen. Jährlich wird ca. ein knappes Drittel der Rente aus dem Steuersäckel bezuschusst. Steuern und Sozialabgaben hat das IfW bei seiner Rechnung aber außen vor gelassen. Unser Rentner zahlt im zusätzlichen Arbeitsjahr 5.200 Euro für Steuern und Sozialversicherungen ex Rentenversicherung. Und mit dann 1.389 Euro Rente (statt vorher 1.281) zahlt er in den 17 Renten-Lebensjahren 2.295 Euro Steuern mehr als wenn er sich mit 1.281 Euro ein Jahr früher zur Ruhe setzt. Und er zahlt 2.448 Euro mehr in die Kranken- und Pflegeversicherung. Saldiert sind das 6.543 Euro an Mehrzahlungen in die öffentlichen Kassen.
Fazit: Die verkürzte Rechnung des IfW zur Zusatzrente für jene, die länger arbeiten, unterschlägt Mehreinnahmen für das Steuer- und Sozialsystem. So entsteht der falsche Eindruck, länger zu arbeiten belaste die Sozialgemeinschaft. Das Gegenteil ist der Fall.