Schlappe für die CSU und Seehofer
Die Tage von Horst Seehofer als Parteichef und Ministerpräsident der CSU sind gezählt. Er (und mit ihm seine Partei) ist der Verlierer der Jamaika-Sondierungen. Nächsten Donnerstag wird sich der Parteivorsitzende erklären müssen, wieso die Bayern in Berlin trotz seiner – von ihm selbst für unverzichtbar erklärten – Verhandlungsführung so wenig durchgesetzt haben.
Alles andere als ein Rücktritt spätestens auf dem Parteitag im Dezember ist undenkbar. Seehofer hat so ziemlich alles vergeigt, was die CSU stark gemacht hat:
- die sichere absolute Mehrheit in Bayern
- die Sperrminorität in der Bundesregierung den besonderen Einfluss auf
- die für die Christ-Sozialen entscheidenden Fragen Europa und Flüchtlinge
- die Abschottung des Parteienspektrums nach rechts
Von Grünen und FDP vorgeführt
Seehofer hat sich taktisch ausspielen lassen. Seine miserable Verhandlungsführung in den Jamaika-Sondierungen löst nicht nur in München Kopfschütteln aus.
FDP und Grüne haben die CSU in die Enge getrieben. Beide haben auf wichtigen Feldern nachgegeben, um jetzt von den Unionsparteien Kompromissbereitschaft einzufordern. Und das ausgerechnet auf dem Gebiet, von dem Seehofers Wohl und Wehe abhängt.
Erst lenkte die FDP bei Steuerentlastungen auf CSU-Linie ein. Dann ruderten die Grünen bei der Laufzeit der Kohlekraftwerke zurück. Motto: Der Klügere gibt nach. Damit ist die Seehofersche Forderung einer Flüchtlings-Obergrenze von 200.000 nicht mehr durchzusetzen, ebensowenig die Lockerung des Datenschutzes oder die verstärkte Videoüberwachung.
Pech und Ungeschick
Auch Fortuna hat Seehofer im Stich gelassen. Der Fall Georg Fahrenschon haftet auch am Ministerpräsidenten. Seehofers Ex-Finanzminister und (Noch-)Chef des Sparkassen- und Giroverbandes ist wegen Steuerhinterziehung angeklagt. Das sieht beinahe noch schlechter aus als das gleiche Vergehen bei Edmund Stoibers Duzfreund Uli Höneß. Auch wenn Seehofer nichts dafür kann – es kommt zur Unzeit und färbt ab. Fehlt(e) dem Ministerpräsidenten der Instinkt für Personal?
Der 68-Jährige hat zudem seit September 2015 allzu viele Fehler gemacht. Der größte war sicherlich das Abrücken im Wahlkampf von der Obergrenze beim Flüchtlingszuzug, die er zuvor noch so vehement eingefordert und als unverhandelbar bezeichnet hatte. Dazu kommt der unsägliche innerparteiliche Kampf mit dem Rücktritt vom Rücktritt, einzig um ein ungeliebtes Talent wie Markus Söder vom Chefposten fernzuhalten.
Neuanfang mit Handikap
Seehofers Nachfolger steht vor einer schweren Aufgabe. Er muss in zehn Monaten die CSU zu neuer Stärke führen. Sein Dilemma: In Berlin muss er mit ungeliebten Partnern eine in Bayern unbeliebte Politik mittragen. Kräftigen Rückenwind von der CDU, die schon in der Nachfolgediskussion um Angela Merkel steht, kann er auch nicht erwarten. Bestenfalls wird Merkel ihm in der Gesetzgebung den Rücken frei halten, damit vor der Bayern-Wahl nicht gerade die Themen hochkochen, die die CSU in ihrer Verliererrolle bloßstellen,
Fazit: Die Bundestagswahl und ihre Folgen haben eine gewichtige Unions-Bastion ins Wanken gebracht. Möglich, dass die CSU als bundespolitischer Faktor auf längere Sicht wenig Bedeutung haben wird.