IWF-Ökonom zeigt Kompromisslinie
Im Gestrüpp der Griechenland-Verhandlungen übersehen die Beteiligten eine konkrete Kompromisslinie - noch.
Der Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF) zeigt die Kompromisslinie für die Gespräche zwischen Griechenland und seinen Gläubigern auf. In einem auf der IWF-Homepage veröffentlichten Blog-Beitrag schreibt Olivier Blanchard: „(…) Die europäischen Gläubiger (…) müssten einem Schuldenerlass zustimmen, der ausreichend ist, um die Schuldentragfähigkeit [Griechenlands] zu erhalten.“ Ein solcher Schuldenerlass könne erreicht werden, indem die Rückzahlungsfristen verlängert und die Zinszahlungen reduziert würden, so Blanchard. Eine weitere Absenkung des angestrebten Primärüberschusses würde zudem einen direkten Schuldenschnitt erfordern. Im Gegenzug definiert der IWF-Chefökonom die Bedingungen, die Griechenland für eine Einigung erfüllen müsste. Die Staatsausgaben für Renten müssten um 1% des griechischen Bruttoinlandprodukts gesenkt werden – eine Forderung, die Ministerpräsident Alexis Tsipras bisher als „absurd“ zurückgewiesen hat. Interessant ist allerdings, dass Blanchards Text keinen Zeitpunkt für eine solche Absenkung nennt. Das gleiche gilt für die ebenfalls von den Gläubigern eingeforderte Ausweitung und Erhöhung der Mehrwertsteuer. Der IWF-Chefökonom kann zwar nicht für den IWF sprechen. Und da er im September im Alter von 66 Jahren seinen Posten aufgibt, hat seine Stimme politisch kaum noch Gewicht. Dennoch: Ein solcher Kompromiss ließe sich wohl für alle Parteien halbwegs gesichtswahrend verkaufen. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat heute noch einmal betont, dass Griechenland auf einen Schuldenerlass dringt. Die Gläubiger wiederum könnten ihren Wählern gegenüber argumentieren, Zinssenkungen und Zahlungsstreckungen wären kein „echter“ Schuldenschnitt. Lediglich die Höhe der mit diesen Krediten erzielten Gewinne würde weiter gesenkt. Bei den umstrittenen Punkten Renten und Mehrwertsteuer könnte man sich auf die grundsätzliche Reform einigen. Deren Einführung ließe sich jedoch zeitlich strecken, damit die Syriza-Regierung dies ihren Wählern halbwegs schmerzfrei beibringen kann.
Fazit: Ob sich alle Seiten auf die aufgezeigte Kompromisslinie einigen können, steht weiter in den Sternen. Wir bleiben jedenfalls bei unserer Meinung, dass es am Ende zu einer Einigung und nicht zu einem Grexit kommen wird.