Kein Austritt aus der EU
Großbritannien wählt in Kürze. Das Referendum über den Verbleib in der EU rückt damit näher.
Mit Beginn der heißen Wahlkampfphase in Großbritannien steigt in der EU die Zuversicht, dass die Briten doch im europäischen Staatenverbund bleiben. Die britische Unterhauswahl findet am 7. Mai statt. Der Ausgang wird nach aktuellen Wahlumfragen äußerst knapp. Labour liegt nicht nur traditionell im Norden Englands vorne, sondern auch bei Frauen, Farbigen und jüngeren Wählern. Namhafte Beobachter trauen Premier David Cameron dennoch zu, mit seinem Amtsbonus eine zweite Amtszeit zu erringen. Zumal er in der britischen Zeitungswelt mehr Unterstützer hat, mehr Gelder für den Wahlkampf und wohl auch ein besseres Wahlkampf-Team als sein Widersacher von Labour, der blass wirkende Ed Miliband. Cameron will bei einem Wahlsieg 2017 ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU durchführen. Das hat er 2013 unter dem Druck eines starken europaskeptischen Flügels in der eigenen Partei und des Höhenflugs der Unabhängigkeitspartei UKIP versprochen. Obwohl er selbst für einen Verbleib des Landes in der EU ist. Jüngste Umfragen zeigen, dass die Zustimmung unter den Briten zur EU wieder wächst. Britische Beobachter sagen uns, ihre Landsleute hätten noch immer pragmatisch entschieden und gewusst, was ihnen nützt und was schadet. Die Lobby der Finanzindustrie wird bei einem Wahlsieg Camerons sehr schnell viel Geld in die Hand nehmen, um für den Verbleib in der EU zu trommeln. Cameron hat sich in der Frage des EU-Verbleibs allerdings selbst ins Abseits manövriert. Obwohl die Briten mit ihrer Skepsis gegenüber Zuwanderung nicht allein dastehen, ist eine Neuverhandlung der EU-Verträge ausgeschlossen. Cameron wird die Briten also auf die Zukunft vertrösten müssen. Dabei sitzt ihm aber die EU-skeptische UKIP im Nacken. Da sie (ebenso wie die schottische SNP) einige Sitze im Unterhaus sicher hat, droht Großbritannien die Unregierbarkeit. Das klassische Zwei-Parteien-System hat ausgedient. Cameron könnte aus einer Koalition mit UKIP dennoch europapolitische Stärke ziehen. Mit den EU-Gegnern als Koalitionspartner wird er in Brüssel eher Zugeständnisse der EU-Partner erwarten dürfen, als wenn er alleine kämpft, und sich dann erfolgsgekrönt von den Sektierern trennen. Auf die pragmatische deutsche Kanzlerin Angela Merkel kann er dabei zählen. Berlin will London unbedingt im Club halten. Der europaskeptische Flügel der Tories fürchtet allerdings ein Dejà-vu zu Harold Wilsons Situation 1975. Der damalige Labour-Premier schaffte es, die Briten vom Verbleib in der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu überzeugen, der sie nur zwei Jahre zuvor unter dem Tory Edward Heath beigetreten waren. Doch 1981 spaltete sich Labour wegen dieser Streitfrage.
Fazit: Cameron könnte die Wahl gewinnen, das Referendum pro Europa entscheiden und dennoch zur tragischen Figur seiner Partei werden.