Niemand kümmert sich noch um den Brexit
Während in Europa die Besorgnis um einen Brexit ohne Abkommen wächst, spielt das Thema in Großbritannien (derzeit) keine Rolle. Der Brexit ist so gut wie gänzlich aus der britischen Politik und der Diskussion in der Öffentlichkeit verschwunden. Vorneweg (oder hintendran) Premierminister Boris Johnson: Er ist mit der Coronakrise und seiner eigenen Infektion voll und ganz beschäftigt.
Unser Londoner Korrespondent hat sich in der britischen Regierung umgehört. Dort gibt es derzeit wohl niemanden mehr, der bis zur Jahresmitte irgendein Vorabkommen erwartet. Dies war ursprünglich avisiert worden. Auch per Jahresende gehen die Erwartungen bereits gegen null.
Zwei Varianten denkbar
Es gibt derzeit aus Londoner Sicht zwei Varianten mit Blick auf die EU:
- Verlängerung des derzeitigen Zustand über den 31.12.20 hinaus. An und für sich hatte Johnson das fest ausgeschlossen. Mittlerweile sieht er das differenzierter..
- Es kommt zu No Deal - Situation. Damit freunden sich zumindest viele Politiker auf kommunaler Ebene gerade an. Das „Fußvolk“ unter den Politikern hat es hörbar satt, endlos über Brexit oder Corona-Virus zu diskutieren. No Deal erscheint attraktiv, weil man nichts tun, keine dezidierte Meinung und Position beziehen muss. Ein auch noch so schlechtes Handelsabkommen mit den USA wäre für viele in dieser Situation eine attraktive Kompensation.
Häfen werden auf No-Deal vorbereitet
Die britische Regierung fürchtet lediglich Krach mit Frankreich, wenn es zu keiner vertraglichen Loslösung von der EU kommt. Vorsorglich wird schon jetzt der Lkw-Verkehr reorganisiert: Die Fährschiffe fahren nicht mehr von französischen, sondern von belgischen und niederländischen Häfen nach UK ab. Dort werden die Hafenanlagen gegenwärtig mit Hochdruck auf eine solche Situation vorbereitet. Der Kanaltunnel-Verkehr läuft dennoch (zunächst) weiter. Er wird primär von Frankreich organisiert und gesteuert.
Fazit: Die Besorgnis in Brüssel, dass sich UK ohne vertragliche Grundlage von der Union löst, hat eine reale Grundlage. Gerade in der angespannten Wirtschaftslage kann das für einige Unternehmen der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Sprich: Zusätzliche Pleiten sind programmiert.