Der Stillstand löst sich auf
In die bisher völlig verfahrene britische Politik kommt wieder Bewegung. Zum einen sieht es mehr und mehr nach baldigen Neuwahlen aus. Zum anderen könnte sich die „Deadline" für den Brexit nun doch hinauszögern. Ein späterer Zeitpunkt als der 31.10. ist auch dann möglich, wenn Boris Johnson Ende des Monats neuer Premier der Briten wird.
Die neue Lage sieht so aus: Labour-Parteichef Jeremy Corbyn will nach endlosem Zögern ein neues Referendum. Und auch für den ab August voraussichtlichen neuen Premier Boris Johnson gilt: Er tönt zwar ständig vor Kameras und Mikrofonen, die EU sofort verlassen zu wollen. Ob mit oder ohne Vertrag.
Doch unser Korrespondent in London berichtet, dass Johnson das konkrete Datum eher symbolisch sieht. Er wolle mit Brüssel zum Schein verhandeln. Dabei strebe er kein positives Ergebnis, sondern eine Rechtfertigung für den Austritt an. Auch wenn Brüssel Verhandlungen unter einem solchen „Stern" ablehnen sollte, würde das Johnson nach seiner Lesart in die Karten spielen.
Der Premier hat Neuwahlen nicht allein in der Hand
Eins ist sicher: Ebenso wenig wie die zurückgetretene Theresa May kann Johnson „durchregieren". Ihm fehlt die eigene Mehrheit Er ist bei Abstimmungen auf die wenigen, häufig wankelmütigen Abgeordneten der nordirischen DUP angewiesen sein. Sollte er mehrere Abstimmungen verlieren und andere Parteien glauben, sie würden eine Mehrheit zusammenbekommen, kann sich der Premier nicht mehr gegen Neuwahlen sperren. Im landesweiten Wahlkampf stünden sich dann die überwiegend austrittswilligen Konservativen und die sozialistischen No-Brexit Befürworter gegenüber.
Fazit:
Ein Sieg der Sozialisten ist zumindest möglich. Es sieht aber so aus als würde sich das Austritts-Procedere weiter in die Länge ziehen. Der 31.10. ist nicht (mehr) gesetzt.