Zinsschock auf den Schwellenmärkten
Die Welt erlebt derzeit einen der größten Zinsschocks der jüngeren Vergangenheit. Der Blick auf die längerfristigen Nominalzinsen verschleiert da mehr als er aufdeckt. Sehr deutlich wird das, wenn man die realen Renditen betrachtet. Diese sind erheblich angestiegen. Die reale Rendite 10-jähriger Staatsanleihen in den USA ist von -1,1 Prozent Ende letzten Jahres auf jetzt +0,7 Prozent gestiegen. Das ist ein größerer Anstieg als während des „Taper Tantrum“ 2013, hat das Institute of International Finance errechnet.
Höher verschuldete Länder werden noch härter getroffen. Italiens 10-jährige Realrendite ist von -0,7 Prozent Ende 2021 auf jetzt 1,8 Prozent gestiegen, eine sehr scharfe – wenn auch geordnete – Neubewertung. Dieser Anstieg der langfristigen Renditen in den G-10 ist eine schlechte Nachricht für Schwellenländer. Denn die längerfristigen Renditen sind in der Regel der Referenzzinssatz für Schwellenländer. Hohe Renditen in fortgeschrittenen Volkswirtschaften bedeuten, dass weniger Geld in Schwellenländern angelegt wird.
Schwarzmalen nicht angebracht
Zinsschocks haben in der Vergangenheit stets zu Abflüssen aus Schwellenländern geführt. Und genau das ist auch jetzt zu sehen. Die Schwellenmärkte befinden sich seit Anfang Juni in einem schweren Ausverkauf, als die hohe VPI-Inflation in den USA die Fed dazu veranlasste, ihre geldpolitische Straffung durch eine Anhebung in Schritten von 75 Basispunkten zu beschleunigen. Die Abflüsse sind mit der RMB-Abwertungsangst 2015/6 vergleichbar. Dabei konzentrieren sich die Abflüsse auf Schwellenländer außerhalb Chinas. Die Zuflüsse nach China haben sich im 2. Quartal dagegen wieder etwas erholt.
Dennoch muss man für die Schwellenländer nicht schwarz sehen. Die meisten großen Schwellenmärkte haben weit vor den fortgeschrittenen Volkswirtschaften mit Zinserhöhungen begonnen. Das hat deren Realzinsen weit über das G-10-Niveau getrieben.
Fazit: Sollte die Fed die Markterwartungen erfüllen – das heißt die Zinsen um nicht mehr als 50 Basispunkte im September und weitere 25 Basispunkte im November und Dezember erhöhen, dürfte das schlimmste für die Schwellenmärkte überstanden sein. Wenn das Wörtchen Wenn nicht wär‘ …
Empfehlung: Begrenzen Sie Ihre Risiken auf diesen Märkten.