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Zur Situation

Rezession, keine Depression

Zum Jahreswechsel 2008/09, wenige Monate nach dem Zusammenbruch der Lehman-Bank und dem Einbruch der Weltwirtschaft nimmt FUCHS-Chefredakteur Ralf Vielhaber Stellung zu den Erwartungen der Redaktion für die nächsten Jahre.
Sehr geehrte Leser, 2009, mit der heißen Phase der Krisis, beginnt das 21. Jahrhundert erst so richtig. Sie ist der Moment, in dem sich die Welt von den Gegebenheiten des 20. Jahrhunderts – wirtschaftlich wie politisch – losreißt. Diese Neuordnung wird sich freilich über Jahrzehnte hinziehen. China und Indien werden aus eigener Kraft Astronauten zum Mond (und später zum Mars) schicken. Aufsteigende, große Nationen wie Brasilien werden äußerst selbstbewusst auf die Weltbühne treten, in der die angelsächsischen und europäischen Völker nicht mehr automatisch jene zentrale Rolle spielen werden wie im vergangenen Jahrhundert, was für uns herausfordernd und durchaus wohltuend wirken könnte. Doch wir wollen den Blick nicht zu weit in die Ferne schweifen lassen. Zunächst – 2009-2015 – dominiert das politische und wirtschaftliche Paradigma des 20. Jahrhunderts. Stimmung und Lage zu Jahresanfang 2009 sind schlecht, da beißt die Maus keinen Faden ab. Der ifo-Geschäftsklimaindex ist auf dem tiefsten Stand seit 1993 (Lage: 88,8 Punkte, Stimmung 77,6). Im Leitmarkt der Welt, den USA, sieht es noch düsterer aus. Alle Indikatoren purzeln. Die Zinsen stehen an historischen Tiefstmarken, in USA, Japan, der Schweiz nahe und bei Null. Wer noch Reserven hat, wie die EZB
oder die Bank von England, wird weiter runter gehen. Die Wachstumseinbußen für die Weltwirtschaft werden für 2009 auf 1,2 Billionen US-Dollar geschätzt. Der Wertberichtigungsbedarf der globalen Finanzwirtschaft beträgt nach aktuellen Schätzungen 965 Mrd. Dollar. So viel zur Ausgangslage.
Zwischen Rezession und Depression liegt der GAU: der wirtschaftliche, politische, gesellschaftliche, humanitäre. Ihn werden wir nicht erleben. Eine Weltwirtschaftskrise von den Ausmaßen 1929/33 ist u. E. a u s g e s c h l o s s e n. Stichworte dazu: Intaktes Gefahrenbewusstsein bei Regierungen und Notenbanken. 1930 hat die Fed sozusagen alle Ventile zu- statt aufgedreht, Motto: "Goldstandard halten". 40% aller US-Banken gingen in die Pleite. Das BSP schrumpfte um ein Drittel. Die Aktienkurse (Dow) auf 10% von 1929. Es gab Zwangsversteigerungen, Pleiten en masse. 1940 (!) herrschten trotz New Deal noch immer 15% Arbeitslosigkeit in USA (heute 6,2%, worst case erwartet: 7,5%, vielleicht werden es 10%). Dazu die berüchtigte (weltweite) Handelspolitik des beggar-my-neighbour mit drastischen Zollerhöhungen, Einfuhr-Kontingenten usw. Folge: Der Welthandel schrumpfte umgehend gewaltig. So unbedarft sind die Regierungen heute nicht mehr.

Chance für die deutsche Wirtschaft

Doch werden wir erst 2009 die Rezession hautnah spüren. Wie tief sie wird, kann niemand sagen. Es liegt an uns. Das meiste wird davon abhängen, ob die USA und China mit ihren gewaltigen Konjunkturprogrammen von geschätzt jeweils 1 Billion Dollar in der Lage sind, die Dinge zu drehen. Alle anderen sitzen im Beiboot. Klar ist: Amerika darf nicht fallen, dann wäre alles hier Geschriebene Makulatur und wir müssten uns mehr um Leib und Leben sorgen, als um unsere Unternehmen.
Die Unternehmen werden ihre Maßnahmen (Restrukturierungen) frühzeitig in die Wege leiten, die Arbeitslosenzahlen und Pleitezahlen gehen aber erst 2010 richtig in die Höhe. Wenn die Zahlen – in der zweiten Jahreshälfte 2009 schon aus statistischen Gründen (Basiseffekt) – wieder besser werden, wird die Bevölkerung die Krise erst so richtig zu spüren beginnen. Vor 2012 ist nicht damit zu rechnen, dass die Krise überwunden sein wird. Es wird ein zähes Ringen mit den Marktgegebenheiten.

Lange schwierige Phase für die Geldpolitik

Gut ist, die deutschen Unternehmen sind am Anfang dieser Weltwirtschaftskrise weit gehend fit: schlank, flexibel, gut ausgerüstet, einigermaßen durchfinanziert. Es gibt in den meisten Branchen nicht so hohe Überkapazitäten wie am Ende des IT-Booms. Da es sich um eine weltweite Krise handelt, geht es darum, im Krisenmanagement besser zu sein als die anderen. Das ist Wettbewerb. Und da können wir uns einiges zutrauen. Problem: Die anstehenden wettbewerbsverzerrenden Eingriffe der Politik in allen wirtschaftlich relevanten Sektoren in denen es brennt (Banken, Autoindustrie), machen vielen Unternehmen das Leben schwer. Nicht alles geht aus eigener Kraft. Da wird leider nur Lobbyarbeit helfen. (Mindestens) im Auto- und im Bankenbereich stehen wir vor einer großen Fusions- und Pleitewelle. Der US-Automobilsektor hat keine Chance in alter Form zu überleben und wird abgewickelt. Ausländisches (japanisches) Geld muss in die Firmen, die Pensionslasten muss der US-Steuerzahler übernehmen. Andererseits: Wer flüssig ist und unternehmerisch denkt, wird günstig an gute Firmen kommen. Die Unternehmenswelt wird am Ende der Krise anders aussehen. In der Autobranche könnte es weltweit nur noch sechs große Hersteller geben (FB vom 15.12.2008).

Neues wirtschaftliches Paradigma

Die Notenbanken hangeln sich von einer gewaltigen Aufgabe zu nächsten. Sie werden 2010/11 sehr zügig von Deflations- auf Inflationsbekämpfung umschalten müssen. Amerika wird dann die Zinsen hoch reißen müssen. Die Unternehmen müssen sich darauf einstellen, was nicht leicht fallen wird. Auf Finanzierungsfragen sollten Sie aber ein Hauptaugenmerk richten, in den kommenden Jahren mehr noch als ohnehin schon. Aber: Wenn es wirklich zu einer ernsthaften Kreditklemme (weltweit) kommen sollte, werden die Notenbanken am Ende auch die direkte Kreditvergabe an Private übernehmen. Das ist keine gute Lösung (FB vom 18.12.), aber die einzig praktikable.

Nächster Punkt ist der gesellschaftliche Wandel, in dem wir uns befinden. Seit Anfang 2008 bricht sich die Vorstellung vom Ende des shareholder value Bahn. Was heißt das? Ein deutlicher Wertewandel ist im Fluss. Geld verdienen als Selbstzweck ist mit dem Investmentbanking vorerst untergegangen. Der Trend geht weg von der Anbetung möglichst hoher Renditen, hin zu nicht monetären Werten auch in der Wirtschaft: So wie wir Kinderarbeit in der 3. Welt verdammen, so verdammt die öffentliche Diskussion zunehmend ?unmenschliche? Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeitverdichtung, extreme Gehälterspreizung. Die Stichworte ?Nachhaltigkeit?, ?soziale Verantwortung? werden die Unternehmer in der nächsten Dekade verstärkt beschäftigen (Lesen Sie hierzu auch unseren aktuellen Report ?Grün-Anlagen?, 36 Seiten, 39 ?, Bestellungen über www.fuchsbriefe.de oder Fax 05241/809620). Was bisher Analystenkonferenzen für Vorstände bedeuteten, wird morgen die öffentliche Wahrnehmung sein. Und da die Öffentlichkeit inzwischen nicht mehr nur in der Presse stattfindet, sondern auch im Internet, steht damit im Prinzip jede Firma unter Beobachtung und in der Kritik.
Quartalsberichterstattung als Synonym für kurzfristig ausgerichtetes wirtschaftliches Handeln ?auch das steht unter dem Signum Nachhaltigkeit massiv in der Kritik. Und das ist auch gut so. Denken Sie an Ihre Personalplanung. Wenn der Renditedruck sinkt, können Sie Personal länger halten. Und das werden Sie wahrscheinlich auch im neuen Aufschwung begrüßen. Fachkräftemangel wird uns nach 2009/10 wieder beschäftigen.Trotzdem steigt die Flexibilität am Arbeitsmarkt. Die Politik traut sich nicht an den großen Wurf, aber Tatsache ist: Sie erleichtert befristete Arbeitsverträge, kürzere Laufzeiten. Wir amerikanisieren unseren Arbeitsmarkt. Was uns noch fehlt, ist die positive Seite der Medaille. Die Menschen sehen bisher nur den Verlust an Sicherheit. Dass ein flexibler Arbeitsmarkt auch Sicherheit bietet – die Sicherheit, auch nach dem Jobverlust leichter wieder etwas zu finden – das braucht noch, bis es sich in den Köpfen verankert hat. Das wird wohl erst die Generation so sehen, die in den nächsten Jahren ins Erwerbsleben eintritt. Vielleicht ist die Voraussage gewagt: Aber erst wenn dieses neue Sicherheitsgefühl Fuß gefasst hat, wird es für junge Leute auch wieder leichter sein, eine Familie zu gründen. Denn diese Bereitschaft hängt ursächlich auch mit der Frage zusammen: Schaffe ich das dauerhaft finanziell? Aus meiner Sicht ist das relevanter als die Frage nach dem Hortplatz um die Ecke (die Diskussion um die problematische frühkindliche Betreuung beginnt ja ohnehin erst).

Arbeitsplätze bleiben hier

Arbeitsplatzverlagerung wird in dieser Rezession, die eine Krise durchaus im positiven Sinne werden kann, indem sie verkrustete Strukturen aufbricht, nicht das große Thema sein. Osteuropa, Asien sind im Moment keine Standorte, in die es Unternehmen zieht. Im Gegenteil, wer dort noch keinen sicheren Stand und neuen Markt gefunden hat, den zieht es eher zurück. Grund: oft schon preislich unattraktiv (Löhne) und wirtschaftlich zu instabil. Das weiß auch die Politik und wird damit arbeiten. Die Bundesregierung – alt wie neu – wird die relative Stabilität Deutschlands gegen Steuerwettbewerb ausspielen. Mit guten Chancen auf einige Jahre hinaus. Deshalb glauben wir auch nicht an spürbare Steuersenkungen, weder vor noch nach der Bundestagswahl.

Innenpolitik

Irritierend sind für uns sämtliche wirtschaftspolitischen Vorschläge, die auf eine Konsumankurbelung durch den Staat setzen. Liegt der Patient Weltwirtschaft nicht im Koma, weil er sich – bislang vom privaten Sektor initiiert – zu viel Kredit in die Lebensadern gespritzt hatte? Jetzt will er die Krankheit ausschwitzen, doch die Politik unter dem Einfluss der vereinten Ökonomenschaft will das nicht zulassen und setzt nun die staatliche Spritze an. Vielleicht kann der Patient voran torkeln. Aber soll er so wirklich gesunden können? Irgendwie können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass jetzt wieder Voodoo-Ökonomie am Werke ist und hoffen mit, dass sie anschlägt. Ebenso so klar ist auch: Die Krise ist Ausfluss mangelnder Weitsicht in Politik, Wirtschaft und Finanzwelt (wie auch im privaten Bereich). Weitsicht heißt Planung und das bedeutet: stetig, fundiert und in gestuften Zukunftshorizonten zu denken und diese zu optimieren. Keine Frage, das ist anstrengend. Der Präsident des Bundesrechnungshofes Hopf hatte seinerzeit Bundeskanzler Kiesinger aufgefordert, in seinem Amt umfassende Planung als Pflichtaufgabe zu begreifen und kompetente Politikberatung umzusetzen. Die daraufhin geschaffene Planungsorganisation (zugegeben, nicht immer mit den prickelndsten Ergebnissen, aber das ist eine Frage der Besetzung) hat Kanzler Schröder mit einem Federstrich abgeschafft. "Pragmatische Politik" ist das Ergebnis, und Merkel hat nicht erkennen lassen, dass sie daran etwas ändern will. Einen zentralen, dem Gemeinwohl verpflichteten Think Tank, eine Art deutsches Zukunftsinstitut, hat das Land nicht. So weit meine Skizze der näheren Perspektive. Es folgen weitere Analysen und Prognosen zu wichtigen Themen 2009 aus den Federn meiner Fuchs-Teamkollegen. Ich wünsche Ihnen zusammen mit Redaktion und Verlag gerade jetzt fröhliche Weihnachten, ein paar erholsame Tage, Gesundheit und Kraft für 2009 und kommen Sie gut ins neue Jahr Ihr
Ralf Vielhaber
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