Der Schwarze Peter läge bei der CSU
Vor dem Sonntag der Entscheidung steigt die Nervosität in den Führungsetagen von CDU und CSU. Dann wollen die Führungsgremien beider Parteien über die Gipfel-Ergebnisse von Brüssel beraten. Zwar überwiegt der Glaube an einen halbwegs gesichtswahrenden Kompromiss zwischen Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Aber Seehofer gilt in den Reihen der CDU als „nicht mehr kalkulierbar". Und jeder weiß, dass der heute beginnende EU-Gipfel nicht die von ihm geforderte „wirkungsgleiche Lösung" für Zurückweisungen an der Grenze bringen wird.
Schon jetzt geht man im Adenauer-Haus durch, wer am Ende den „Schwarzen Peter" in der Hand hält. Die Schrittfolge ist durchdekliniert.
- Merkel einigt sich mit einigen Staats- und Regierungschefs in Brüssel darauf, die Flüchtlingsrücknahme in Verträge zu gießen. Frontex wird gestärkt.
- Seehofer bekommt die Aufgabe, die bilateralen Verträge auszuhandeln. Sein Problem: Er hat noch nicht einen Amtskollegen bisher kennengelernt.
- Seehofer lehnt diese „Lösung" ab. Er lässt dennoch gegen Merkels Willen (Richtlinienkompetenz) Asylbewerber an der Grenze zurückweisen.
- Merkel entlässt Seehofer.
- Die CSU tritt geschlossen aus der Bundesregierung und Fraktionsgemeinschaft aus.
Ergebnis: Die Bayern hätten den entscheidenden Schritt zum historischen Bruch gemacht.
Die Kompromisslinie wird ebenfalls vorgezeichnet. Seehofer verlagert mehr Bundespolizisten an die bayerische Grenze. Diese kontrollieren verstärkt. Asylbewerber, die bereits in einem anderen Land registriert sind, kommen in Ankerzentren. Dort erhalten sie beschleunigte Verfahren. Und werden gegebenenfalls zurückgeführt.
Sicher ist man sich auch in der CDU nicht, dass die eigenen Bataillone halbwegs geschlossen hinter der Kanzlerin stehen. Es gibt in der CDU-Bundestagsfraktion Sympathisanten für Seehofers Ideen und das Auftreten der CSU. „Beschädigt sind – neben Bayern-MP Markus Söder – beide, Merkel und Seehofer", sagt man an führender Stelle in der CDU.
Kein Sieger in Sicht
Von einer Trennung der Fraktionsgemeinschaft würde keine Seite profitieren. Die Auseinandersetzung würde, von Kränkung getragen, hart und schmutzig. Dass auf diese Weise die AfD geschrumpft wird, glaubt niemand. Eher würde sie durch den Streit gewinnen.
CDU / CSU würden sich gegenseitig das Wasser abgraben. Zwar würde die CDU in Bayern rasch Fuß fassen. Andererseits bekäme die CSU aus der CDU in allen anderen Bundesländern Zulauf. Ein Großteil der ostdeutschen Landesverbände würde zur CSU übertreten.
Fazit: Die Union rauft sich zusammen. Aber es ist ein Bruch entstanden, der nicht wieder vollständig zu kitten ist. Die Koalition im Bund ist nochmals geschwächt. Sie hält keinen weiteren Streit mehr aus.