Die Antwort gibt's erst nach der Wahl
Der Umgang der Politik mit Presseanfragen ist zunehmend geprägt von Arroganz und Ignoranz. Das gilt über Parteigrenzen hinweg. Einige Erlebnisse der FUCHS-Redaktion:
- Die AfD bekam im vergangenen Sommer eine Frage zur Migrationspolitik. „Zu einem solch emotionalen geführten Thema“ wolle die Fraktion keine Stellung beziehen, war die Auskunft am Telefon.
- Von der CDU wollten wir im Dezember 2020 erfahren, welche Gesetzesvorhaben sie in puncto Nachhaltigkeit bis zur Wahl noch durchbringen wolle. Eine Antwort konnte uns das Büro des energiepolitischen Sprechers Joachim Pfeiffer nicht geben – die Verhandlungen über die EEG-Umlage seien derzeit so zeitaufwendig.
- Im März befragten wir die ernährungspolitische Sprecherin der Grünen Renate Künast, wie das im grünen Wahlprogramm genannte Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung ausgestaltet werden solle. Eine Antwort gab es darauf nie.
- Auf eine Anfrage an die Grünen zur Ausgestaltung ihres im Wahlprogramm stehenden Rentenkonzeptes „Bürger*innenfonds“ bekamen wir im August die Antwort, dass für die Beantwortung in Wahlkampfzeiten keine Kapazitäten bestünden.
- Die SPD befragten wir (ebenfalls im August) zu den Empfängergruppen der geplanten Mindestlohnerhöhung und dem geplanten Volumen. Die Pressestelle konnte uns telefonisch die Fragen nicht beantworten – auf die versprochene schriftliche Antwort warten wir bis heute.
- Im September befragten wir die SPD zur Umsetzung ihres Wohnbauprogramms. 400.000 Wohnungen verspricht Olaf Scholz – irgendwo im Willy-Brandt-Haus sollte es ein Programm geben oder eine Art Aktionsplan. Den konnte uns die Pressestelle nicht nennen – dafür sei derzeit keine Zeit, die Antworten gibt es aber gerne nach der Wahl. Wir hätten die Anfrage vor einem Monat stellen sollen – also zu der Zeit, als unsere Mindestlohn-Anfrage ignoriert wurde.
Beantwortung wird an Nutzwert gekoppelt
Dass die Nicht-Beantwortung von Presseanfragen mittlerweile gängige Praxis ist, bestätigen uns Mitarbeiter aus dem deutschen Bundestag. Die Ausflüchte seien in den allermeisten Fällen vorgeschoben. Anfragen würden selektiert – je höher die Reichweite des Mediums und je allgemeiner die Anfrage, desto wahrscheinlicher eine Antwort.
Das ist weit mehr als eine Behinderung der Pressearbeit; es ist blanker Populismus. Getreu dem Motto „Ich hau mal einen raus“, kann die Politik alles verkünden. Pressevertreter, die kritisch nachbohren, werden abgeblockt. Dadurch werden Diskurse beeinflusst und Kritik unterdrückt oder sie verliert an Substanz.
Fazit: Ein Vorwurf an den aktuellen Wahlkampf lautet, dass er inhaltsleer geführt werde. Kein Wunder – die Parteien halten sich auch auf Nachfrage mit Inhalten zurück – eine denkwürdige Entwicklung.