GroKo, die vierte?
Nach der Nominierung von Finanzminister Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten … In der SPD kann man sich wieder nüchtern mit dem Gedanken an eine Fortsetzung der GroKo befassen. Die Frage danach beantwortet man mit beredtem Schweigen und dem Verweis auf die Mehrheitsverhältnisse nach der nächsten Bundestagswahl im September 2021.
Der Versuch, die SPD neu aufzustellen, gilt – unausgesprochen, aber unwidersprochen – als gescheitert. Man weiß, dass Wahlen in der bürgerlichen Mitte gewonnen werden. Der lange Schatten von Gerhard Schröder ist noch da. Der Niedersachse hatte den ewigen Kanzler Helmut Kohl mit dieser Strategie entthront. Seit dem Abgang der Pragmatikerin bei der Linken, Katja Kipping, ist zunächst unklar, wer die Linkspartei in eine Rot-Rot-Grüne Koalition führen könnte. Und im Umkreis von Scholz gelten die Linken als zu ideologisch und zu wenig pragmatisch.
Hinterzimmer geht wieder
Die SPD-Linke hat ihre eigene Schwäche offenbart, als sie keinen Kandidaten aus ihren Reihen aufbieten konnte, dem sie selbst einen erfolgreichen Wahlkampf zugetraut hätte. Und auch das „Hinterzimmer“ als Entscheidungsort für weitreichende Entscheidungen in kleinen Führungszirkeln ist seit der Nominierung von Scholz plötzlich wieder akzeptiert.
Überhaupt ist die Begeisterung für Basisentscheidungen im Führungskreis beinahe restlos verschwunden. Das zähe und chaotische Verfahren zur Wahl der – inzwischen mehr geduldeten als geachteten – Partei-Doppelspitze Esken-Walter-Borjans hat zumindest führende Köpfe in Berlin bekehrt. Nur der Scholz-Coup wird den beiden bisher klar positiv angerechnet. Damit habe man die Union in die Defensive gebracht.
Ein Fünkchen Hoffnung
Zwar macht sich niemand in der sozialdemokratischen Führungsriege Illusionen über die Chancen einer Scholz‘schen Kanzlerschaft. Auch wenn ein Fünkchen Hoffnung glimmt. Schon, um sich für den Wahlkampf motivieren und Zuversicht ausstrahlen zu können. Aber eigentlich geht es um den Abstand zur Union. Und hier gibt es klare Einschätzungen:
Friedrich Merz wäre der leichteste Gegner. Er würde polarisieren und Teile der Mitte freigeben, heißt es. Doch seine Chancen auf das Amt des CDU-Parteichefs schätzt man unter Sozialdemokraten als gering ein. Seine unbezweifelte Expertise als Finanz- und Krisenmanager ist noch nicht gefragt. Denn die Wirtschaft läuft wieder an, die Probleme bei den Firmen sind durch Verlängerung der Insolvenzmaßnahmen verschoben; am Arbeitsmarkt sind sie durch die Verlängerung der Kurzarbeit über den Wahltag hinaus kaschiert. Und ohne Amt fehlt Merz die Bühne.
Kleiner König, großer Gegner?
Bayerns „kleiner König“ Markus Söder (CSU) wäre unter heutigen Aspekten der härteste Brocken. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) irgendwo dazwischen. Laschet zieht nicht an, stößt aber auch nicht unbedingt ab. Das macht ihn wiederum hart zu nehmen.
Als schwer einzuschätzen gilt Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Er hat hohe Sympathiewerte und wie Söder beinahe spielend einen Imagewechsel vollzogen. Er ist bundesweit bekannt, hat viel politische Erfahrung, ist mit 40 Jahren noch jugendlich, als Homosexueller für die progressiven Gesellschaftsteile interessant und wirkt auf die alte Wählerschaft der CDU dennoch reif und konservativ.
Fazit: Unverhofft kommt oft. Wir hatten bereits gesagt, dass im Bundestag zurzeit so viele Koalitionen denkbar sind, wie noch nie zuvor. Die GroKo gehört (wieder) dazu. Auch als Schatz-Kanzler fühlt sich Olaf Scholz wohl. Und für die Union gilt: Hauptsache, den Kanzler stellen …
Hinweis: Seit Beginn der Kanzlerschaft von Angela Merkel 2005 regieren mit Ausnahme der schwarz-gelben Periode 2009 bis 2013 Koalitionen aus CDU/CSU und SPD.