EU bringt On-Demand-Plattformen in Bedrängnis
Die EU nimmt sich der Regulierung der Plattformwirtschaft an und bedroht damit vor allem das bisherige Geschäftsmodell von Lieferdiensten. Prüfbedarf haben aber auch Zeitarbeitsfirmen und andere Jobvermittlungsplattformen. Einen entsprechenden Richtlinienentwurf zur Regulierung der Plattformwirtschaft hat die EU-Kommission im Dezember vorgelegt. Hinter dem Begriff Plattformwirtschaft verbergen sich allgemein Internet-Anbieter, die Käufer und Verkäufer zusammenbringen. Dabei gilt es, drei verschiedene Arten von Plattformen zu unterscheiden:
- Marktplätze: Käufer und Verkäufer werden klassisch zusammengebracht. Beispiele dafür sind etwa eBay, Etsy oder Amazon-Marketplace.
- Software-as-a-Service: Software aus der Cloud wird über eine Plattform bereitgestellt, etwa zur Erstellung von Websites oder Präsentationen. Beispiele sind Wix oder Zenoti.
- On-Demand-Plattformen: Lieferungen auf Knopfdruck erhalten, Beispiele dafür sind Lieferando, Gorillas (deren Lieferanten werden als Gig-Worker oder Rider bezeichnet), Uber oder das Handwerkerportal MyHammer.
Gig-Worker im Fokus
Die EU will mit ihrem Vorstoß vor allem die Arbeitsverhältnisse von Gig-Workern verbessern. Der Gig-Arbeitsmarkt hat bereits heute gigantische Dimensionen erreicht. Je nach Definition arbeiten heute 20 bis 30% der Europäer und Amerikaner im Bereich Gig-Working. Laut Prognosen von McKinsey werden bis 2025 mehr als 30% (60 Bio. US-Dollar) des weltweiten Unternehmensumsatzes durch digitale Plattformen erwirtschaftet werden. Marktplätze und Software-as-a-Service-Plattformen werden durch den EU-Vorstoß kaum berührt.
Die Kuriere, die besonders seit der Pandemie das Stadtbild prägen, arbeiten oft als unabhängige Selbständige, Freiberufler oder geringfügig Beschäftigte. Dabei stehen sie in der Realität oft wie normale Angestellte in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Plattformen – allerdings nur mit den geringeren Arbeitnehmerrechten (Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch, Sozialversicherung) eines Selbstständigen. Der Leistungsdruck der Fahrer ist hoch, ihre Zeiten werden oft per App nachverfolgt. Die Möglichkeiten, sich gegen vermeintliche Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen, sind ohne Betriebsrat in der wenig regulierten Arbeitswelt gering.
Wer zwei Kriterien erfüllt, ist Angestellter
Kernelement der Richtlinie ist, dass die Plattformen künftig darlegen sollen, warum sich ihre Beschäftigten nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis befinden. Ein solches Verhältnis wird dann angenommen, wenn mindestens zwei Punkte erfüllt werden:
- Effektive Bestimmung der Höhe der Vergütung oder Festlegung von Obergrenzen der Vergütung
- Aufforderung der Plattformarbeit leistenden Person, bestimmte verbindliche Regeln in Bezug auf Erscheinungsbild und Verhalten gegenüber dem Empfänger der Dienstleistung bzw. in Bezug auf die Arbeitsleistung einzuhalten
- Überwachung der Arbeitsleistung oder Überprüfung der Qualität der Arbeitsergebnisse, auch auf elektronischem Wege
- Effektive Einschränkung der Freiheit, die Arbeit zu organisieren – insbesondere den Ermessensspielraum bei der Wahl der Arbeitszeit oder der Abwesenheitszeiten-, Aufgaben anzunehmen oder abzulehnen oder die Dienste von Unterauftragnehmern oder Ersatzkräften in Anspruch zu nehmen, auch durch den Einsatz von Sanktionen
- Effektive Einschränkung der Möglichkeit, einen Kundenstamm aufzubauen oder Arbeiten für Dritte auszuführen
Laut Schätzungen der EU-Kommission werden derzeit 5,5 Mio. Beschäftigte falsch als Selbstständige klassifiziert. Aktuell arbeiten in der EU 28 Mio. Beschäftigte auf Plattformen, bis zur Mitte des Jahrzehnts werden es schätzungsweise 43 Mio. sein. Die Plattformen selbst gehen erhebliche Risiken ein, wenn sie ihre Beschäftigten falsch zuordnen. Sie müssen bei Feststellung rückwirkend die Sozialversicherungsbeiträge zahlen und machen sich unter Umständen sogar strafbar.
Relevant wird's in drei Jahren
Politisch ist kein großer Widerstand gegen den EU-Vorstoß zu erwarten. Die Richtlinie durchläuft gerade die Brüsseler Institutionen. Im Durchschnitt dauert es 18 Monate, bis ein Entwurf verabschiedet wird. Danach haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um ihre nationalen Regelungen anzupassen. Akut relevant würden die neuen Regelungen damit im Sommer 2025.
Fazit: Unternehmen mit Plattform-Geschäftsmodellen sind gut beraten, sich auf die anstehenden Veränderungen einzustellen. In einigen Jahren dürfte die Kontrolle deutlich zunehmen und es ist denkbar, dass die Arbeitskosten steigen.