Archillesverse Software
Die deutsche Autoindustrie hat ein Wertschöpfungs-Problem. Die Branche kann zwar mit dem stärksten Produktions-Wachstum aller Hersteller in diesem Jahrzehnt rechnen (FB vom 25.6.2020). Bei der Software-Entwicklung fehlt aber die Durchschlagskraft. Ausgerechnet in diesem Segment wird jedoch die Wertschöpfung der Zukunft liegen. Daher könnte die Branche ihre Position an der Spitze der Industrie langfristig verlieren.
Die Schwäche der deutschen Branche wird bei den Themen Connected Car und autonomes Fahren sichtbar. Die deutschen Automanager unterschätzen die Geschwindigkeit der Entwicklung wie schon beim E-Auto. Nur noch 23% von ihnen glauben laut der KPMG-Studie Global Automotive Executive Survey, dass autonomes Fahren ein sehr wichtiger Trend ist. Aber 50% der chinesischen und 43% der US-amerikanischen Automanager glauben daran.
Bei Connected-Car-Software und autonomen Fahren hinter der Konkurrenz zurück
Der Wettbewerb ist scharf und die deutschen könnten den Anschluss verpassen. Die Konkurrenz in der Entwicklung von Autosoftware ist stark. Google/ Waymo, Amazon (nach Übernahme von Zoox), sowie Chinas Internetriesen Baidu und Tencent arbeiten intensiv daran. Eine gemeinsame Entwicklung deutscher Hersteller hätte den Internetriesen Paroli bieten können. Die drei großen Hersteller verhandelten darüber vor Jahren, ohne Erfolg.
Die Anfang 2019 gestartete Entwicklungsinitiative von Daimler und BMW zum autonomen Fahren ging vorige Woche zu Bruch. Bei Connected Car-Systemen (Informationsaustausch mit anderen Autos, Ampeln, usw. und Kommunikationsangebote für die Insassen) sind Daimler (MBUX) und besonders BMW (BMW OS) stark, VW dagegen schwach. Die Wolfsburger starten gerade erst mit der Entwicklung. Beim autonomen Fahren ist VW dank seiner 50%-Beteiligung am US-Unternehmen Argo stark. BMW und Daimler liegen viele Jahre hinter der Konkurrenz zurück.
Künftige Wertschöpfung liegt in der Software
Das Problem der deutschen Hersteller: In der Software liegt künftig ein viel größerer Teil der Wertschöpfung. Denn das E-Auto reduziert einen bisher zuverlässigen Gewinnbringer der Branche. Der Aftersales-Bereich, vor allen Dingen der Ersatzteilhandel, macht für die Autohersteller zwar nur 7% der Umsätze aus - aber 25% des Gewinns aus. E-Autos haben wesentlich weniger Teile und sind weniger verschleißanfällig. Sie werden daher weniger Reparaturen benötigen. Die Gewinne der Autohersteller werden darum in den nächsten Jahren daher schrumpfen.
Der Software-Bereich bietet ein großes wirtschaftliches Potenzial, diese Lücke zu füllen. Der Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater Deloitte schätzt, dass sich mit dem Zugang zur Software, den Mobilitätsdaten der Nutzer und dem Verkauf Software-basierter Services und Updates im Jahr 2035 weltweit über 10 Mrd. Euro erlösen lassen. Tesla macht es schon jetzt vor. Der US-Hersteller steigert die Reichweite seines Model S seit Jahren vor allem mit verbesserter Software.
Fazit: Die deutschen Automanager unterschätzen die wirtschaftliche Bedeutung der Software als Quelle der Werschöpfung bei Autos von morgen. Das droht die Substanz ihrer Unternehmen auszuhöhlen. Künftig geht es nicht allein darum, viele Autos zu verkaufen - sondern viele gute Smart-Cars.