Ein irres Auf und Ab des Preises
Am Eisenerz zeigt sich die Preis-Macht Chinas im Rohstoffsektor besonders deutlich. Kein anderer wichtiger Rohstoff hat in diesem Jahr einen ähnlich grandiosen Preis-Sprung nach oben und anschließend einen vergleichbaren Absturz in die Tiefe erlebt. Im November 2020 notierte Eisenerz zu 114 US-Dollar die Tonne. Im Juli dieses Jahres erreichte es einen Spitzenpreis von 219,50 Dollar je Tonne. Anfang Oktober war der Preis schon wieder auf 100,80 Dollar abgestürzt. Er lag damit sogar deutlich unter der Notierung vom November des Vorjahres, als die schier grenzenlose Preis-Rallye ihren Anfang genommen hatte. In allen Beispielen handelt es sich dabei um Erz mit einem Eisengehalt von 63,5%.
"Verantwortlich” für dieses Preiskarussell ist die Volksrepublik China. Der Erzpreis war in die Höhe geschnellt, weil die chinesische Stahlindustrie ihre Produktion stark auszuweiten begann. Dann aber hat die Regierung in Peking die Branche zurückgepfiffen, indem sie die hohen Produktionsziele verwarf.
Scharfe Energiekrise in China
Zum einen steckt China in einer tiefen Energiekrise. Diese trifft die industrielle Produktion des Landes hart. Und sie besorgt inzwischen auch die privaten Haushalte. Zum anderen aber geht es dem ganz großen Abnehmer Wohnungsbau, Stichwort Evergrande, sehr schlecht.
Peking will auf keinen Fall, dass die chinesische Stahlindustrie im Kalenderjahr 2021 mehr als 1 Milliarde Tonnen Stahl erzeugt. Die Politisierung des wichtigen industriellen Stahls geht zu einem ganz wesentlichen Teil auf die anhaltenden und sich langsam immer weiter verschärfenden politischen Spannungen zwischen China und Australien zurück. Vor Brasilien ist Australien seit längerem der größte Eisenerz-Produzent der Welt. Hauptabnehmer des australischen, wie aber auch des brasilianischen Erzes ist die Volksrepublik China. Kauft China weniger australischen Stahl, so hat das sofort stark Rückwirkungen auf die Situation der Bergwerksunternehmen in Australien.
Käufe aus Australien eindämmen
Derzeit ist die chinesische Regierung bemüht, die Käufe australischen Erzes nach unten zu drücken. Dazu trägt unter anderem auch das junge AKUS-Abkommen Australiens mit Großbritannien und den Vereinigten Staaten über den Bau von kernkraftgetriebenen Unterseebooten in Australien bei.
Die chinesische Regierung möchte Australien für seine nicht ausreichend freundliche China-Politik strafen. Doch China muss in weiter steigendem Maße australische Steinkohle importieren. Diese Einfuhr zu begrenzen ist angesichts der großen Energiekrise des Landes kaum zu bewerkstelligen. Deshalb drosselt Peking die Eisenerz-Einfuhr der Stahlindustrie.
Verwerfungen in der Stahlindustrie
In der Stahlindustrie des Landes hat diese Entwicklung bereits zu deutlich sichtbaren Verwerfungen geführt. So haben mehrere große chinesische Stahlerzeuger im Schreck auf den Umschwung in der Politik Pekings kurzerhand eigene Bestände an Eisenerz auf den Markt geworfen und an kleine Produzenten verkauft.
Der Umschwung von Wachstum auf Rücknahme der Stahlproduktionsziele fällt den chinesischen Großunternehmen ausgesprochen schwer. Für die ersten neun Monate errechnet sich nach dem stürmischen Jahresbeginn mit deutlichen Produktionssteigerungen immer noch ein Plus von fünf Prozent. Und das, obwohl die Maßnahmen der Regierung im Juli die Produktion um acht Prozent und im August sogar um zwölf Prozent unter den Vorjahresstand drückten. Erwartet wird derzeit, dass die chinesische Stahlerzeugung 2021 den Vorjahresstand nicht übersteigt. Im neuen Jahr soll sie dann weiter sinken. Für 2022 rechnet in den großen Unternehmen des Landes niemand mehr mit einer Wiederholung der eine Milliarde Tonnen Stahlausstoß.
Fazit: Das bedeutet zwar, dass auch 2022 weiter weniger Eisenerz importiert werden dürfte. Dennoch ist spätestens zum Jahreswechsel wieder mit steigenden Erzpreisen zu rechnen. Denn der massive Preisverfall im Frühherbst dieses Jahres war vor allem eine Korrektur der vorangegangenen Preisaufblähung. Allerdings ist mit weiter heftigen, kurzfristigen Ausschlägen nach oben wie nach unten zu rechnen.