Geißel des Euroraums
Italien (und Belgien) in den Euro aufzunehmen, war der erste Verstoß gegen die Maastrichter Verträge. Schon damals zu Ende der 1990er Jahre zeichnete sich ab, was die Euro-Gemeinschaft auf Dauer belasten sollte, von der politischen Führung, interessierten Banken- und Wirtschaftsvertretern aber vehement abgestritten wurde: Dass der Euro niemals die „Härte“ oder besser Solidität der D-Mark würde erreichen können. Und dass das Zurechtbiegen der Verträge unter wohlwollender Zustimmung des EuGH zum Dauerzustand, ja zum Markenzeichen der Euro-Gemeinschaft werden würde.
Geißel des Euroraums
Inzwischen ist der Euroraum und mit ihm die EZB zur Geisel Roms geworden oder umgekehrt: Rom zur Geißel des Euroraums. Gerade schlagen wir das nächste Kapitel auf. Italien hat nicht nur erhebliche finanzielle und konjunkturelle Probleme. Es steht vor einem politischen Kurswechsel, der die Staatsfinanzen zusätzlich herausfordert.
Wie soeben in Schweden geschehen, dürften auch in Italien nach der Wahl am 25. September mit den Brüdern Italiens, der Lega und Forza Italia rechte und radikal rechte Parteien an die Macht kommen. Folge einer von den Medien bewusst nur in Randnotizen aufgegriffenen Belastung von Sozialsystemen, Arbeitsmarkt und öffentlicher Sicherheit durch weitgehend ungesteuerte Zuwanderung, getarnt als Asylsuche.
Teure Ausgabenprogramme, schnelle Reformen – da passt wenig zusammen
Die Wahlkampfversprechen der italienischen Parteien konzentrieren sich auf teure Ausgabenprogramme. Sie werden die bereits angespannten öffentlichen Finanzen zusätzlich auf die Probe stellen. Hinzu kommt, dass die Mittel der EU, die über das Aufbauprogramm Next Generation EU (NGEU) kassiert werden, schnelle Reformen erfordern.
Klar ist: Die Abwärtsrisiken für die Staatsfinanzen werden zunehmen, wenn die neue Regierung auf die Ausgabenfreude aus der Zeit vor Draghi zurückfällt. Auch Italien hat große Summe lockergemacht, um gefährdete Haushalte und Unternehmen vor dem Energiepreisschock zu schützen. Zusammen mit Paris und Berlin hat Rom schon in der Covid-„Pandemie“ enorme Mittel zur „Systemstabilisierung“ aufgebracht und in der Energiekrise sind diese drei Länder erneut an der Spitze der staatlichen Unterstützungsausgaben.
Mittelfristig kritische Aussichten
Zwar lindern die hohen Inflationsraten die effektive Staatsschuld (zu Lasten der Bürger). Das ändert aber nichts an der mittel- und langfristigen Aussicht. Von allein werden Italiens Strukturprobleme nicht heilen. Die neue Regierung wird also selbst Reformen einleiten müssen, wenn sie Italien nicht erneut dem vollen Druck der Märkte ausliefern will.
Die Finanz- und Devisenmärkte haben bisher noch zurückhaltend reagiert. Der sich ausweitende Kreditspread von Staatsanleihen gegenüber dem deutschen Bund (aktuell: 228 BP) spiegelt hauptsächlich den allgemeinen Zinsanstieg wider, aber nicht die Gesamtgemengelage, die das „Risiko Italien“ ausmacht.