Die Ampel schaltet das Licht an
Die Ampel schaltet planmäßig das Licht an. Am Nikolaustag (6.12.), wird Olaf Scholz (SPD) zum Kanzler gekürt. Die Besetzung der Top-Ressorts erfolgt exakt so, wie von uns seit langem erwartet (FB vom 27.9. und 11.11.): Christian Lindner (FDP) wird Chef der Finanzen, Annalena Baerbock übernimmt das Außenressort, Robert Habeck ein Superministerium Wirtschaft- und Klimaschutz.
Die Dreierkoalition startet mit viel Wohlwollen. Bei den grün eingefärbten Medien ohnehin, aber auch in den Verbänden. Das Land auf Vordermann bringen zu wollen, findet Rückendeckung. Unter Merkel hat Deutschland vor allem von der Substanz gelebt. Die ist weitgehend verfrühstückt.
Verwaltung modernisieren
Der Satz in der Präambel des Koalitionsvertrags „Wir werden die Verwaltung konsequent aus der Nutzungsperspektive heraus denken“, ist elementar. Die Ampel will Verwaltungshandeln durch antragslose und automatisierte Verfahren gesetzlich verankern. Das wäre ein Riesenschritt nach vorne. Aber da müssen die Länder mitspielen. Das Gestrüpp an Zuständigkeiten, in dem sich die Koalitionäre verfangen können, ist kaum zu durchdringen.
(Zu) starker Fokus nach innen
In dieser Fokussierung nach innen liegt auch schon ein Stück Sorge der Wirtschaft. Denn gerade in der Außenwirtschaft verliert Deutschland an Boden. Die Industrie hätte sich einen Staatsminister für Außenwirtschaft gewünscht oder einen Handelsminister. Im BMZ, das sich künftig in den Händen der SPD befindet, sei die Außenwirtschaft jedenfalls bisher nicht gut vertreten gewesen, heißt es hinter den Berliner Kulissen.
Zudem lösen sich weltweit die bestehenden Strukturen in Wohlgefallen auf: die WTO ist praktisch geschlossen. Die G-20 finden nicht zueinander. Weltumspannende Regelwerke sind auf absehbare Zeit nicht mehr in Sicht. Internationale Abkommen funktionieren künftig nur noch in „Klubs“: Es finden sich auf einzelnen Gebieten Koalitionen von Willigen, die Regelwerke erarbeiten, an die man sich halten will. Hier wäre es nötig, dass Deutschland führt und Flagge zeigt. Darauf aber ist die neue Koalition bisher nicht eingestellt.
Respekt für Schweigen
Kritik an den Ressortbesetzungen wird, wenn überhaupt, nur sehr verhalten laut. Auch der Koalitionsvertrag wird mehrheitlich gelobt. Den ersten Respekt der Berliner Presse haben sich die Koalitionäre erworben, indem sie es geschafft haben, bei den Verhandlungen dicht zu halten. So gut wie nichts drang nach außen: Erfolge nicht, aber auch kein Streit. Nur selten wird in öffentlichen Äußerungen der Finger in die Wunde der vielen Widersprüche gelegt, die den Plänen der Ampel innewohnen.
Gestutzte Grüne
Am schwersten werden es die Grünen haben. Sie laufen Gefahr, den hohen Ansprüchen nicht gerecht zu werden, die sie im Vorfeld geweckt haben. Noch immer sind viele Vorhaben nicht finanziert. Robert Habeck wäre nicht der erste Superminister, der sich an seiner Aufgabe verhebt. Sigmar Gabriel konnte mit einem ähnlichen Ressortzuschnitt Wirtschaft und Klimaschutz keine echten Glanzlichter setzen und bekam die Gestaltung der Energiewende nicht in den Griff. Gerad da muss schnell viel passieren, damit in Deutschland nicht zeitweise die Lichter ausgehen. Und die Industrie im Land bleibt, das bald nur noch in einem absolute Weltspitze ist: bei den Energiepreisen.
Annalena Baerbock wird bald merken, dass westliche Werte in der Welt weder einen besonders hohen Stellenwert genießen noch, dass sie sich durchsetzen lassen. China, Indien, begegnen den Westen nach Auskunft von Diplomaten zunehmend herablassend.
Kannibalisierungseffekte
Hinzu kommt, dass es zwischen Habecks Klimaschutzzuständigkeit und dem ebenfalls den Grünen zugesprochenen Ressorts Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz zu starken Überschneidungen kommen dürfte. Das kann nur funktionieren, wenn Habeck der Koch ist und es eine Art Co-Minister gibt, der den Kellner spielt.
Fazit: Die Ampel präsentiert sich als Koalition der Willigen. Und wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Es gibt zwar einige Sollbruchstellen. Aber wir rechnen damit, dass sich die Dreierkoalition mindestens vier Jahre zusammenrauft. Zumal Scholz durch die Große Koalition Erfahrung hat, wie man Problem-Situationen managt.