Energiepolitik vor dem Scheitern
Eines der wichtigsten Projekte der Ampelkoalition, die Energiepolitik, ist zum Scheitern verurteilt. Am schnellen, starken Ausbau der erneuerbaren Energien müssen sich die Koalitionäre messen lassen. Denn 80% des Stroms soll bereits 2030 mit Solar, Windkraft und anderen Erneuerbaren produziert werden. Der Bedarf wird gleichzeitig um bis zu 27% steigen und bei bis zu 750 Twh liegen. Denn E-Autos, Wasserstoff u.a. werden für zusätzlichen Verbrauch sorgen. In den letzten Jahren lag der Bruttoverbrauch bei etwa 590 Twh.
Abschaltung der Kernkraftwerke sorgt für Kohlerenaissance
Zunächst wird die Abschaltung der Kernkraftwerke Ende 2022 für einen Anstieg der Kohleverstromung sorgen. Weil Kohlekraftwerke in den letzten Jahren unter geringer Auslastung leiden (40% und weniger) können sie die zusätzlichen Strommengen leicht herstellen. Hinzu kommen höhere Stromimporte. Das Engpass-Management (regionale Ab- und Zuschaltung von Kraftwerken zur Netzstabilisierung des Netzes) wird stärker beansprucht; es kann die wegfallende Kernkraft aber ausgleichen, wie eine Studie des DIW zum Atomausstieg zeigt.
Neubauziele bei den erneuerbaren Energien sind nicht zu erreichen
Beim Zubau der Erneuerbaren hat die Ampelkoalition ehrgeizige Ziele, die nicht alle verwirklicht werden können. Wind auf See soll bis 2030 auf 30 GW ausgebaut werden (vorher: 20 GW). Das ist machbar, weil neue, große Windkraftanlagen und größere Windparks die Kosten stark senken. Schon in den letzten Jahren konnten einige Offshore-Windparks ohne Subventionen vergeben werden. Bei Solaranlagen werden eher 180 GW erreicht als die geplanten 200 GW. Die Voraussetzungen für einen weit höheren Zubau als bisher sind gut. Es gibt wenige Genehmigungsprobleme. Die Anlagen werden immer billiger, auch an komplizierten Standorten wie über Äckern oder auf Seen. Aber mehr als doppelt so viele Anlagen neun Jahre lang jedes Jahr neu zu bauen wie im bisherigen Rekordjahr 2012 – das ist mehr als unwahrscheinlich.
Bei Wind an Land ist der Ausbau nicht machbar
Bei Wind an Land ist der erforderliche Ausbau bei weitem nicht erreichbar. Die Nennleistung der aktuell installierten Anlagen beträgt 55 GW. Um die Ziele für 2030 zu erreichen, müssen etwa 80 GW neu gebaut werden. Das sind um die 9 GW pro Jahr. 2021 werden knapp 2 GW zugebaut.
Um den Ausbau mehr als zu vervierfachen, soll vor allen Dingen die Natur- und Artenschutzrichtlinien entschärft werden – beginnend bei den EU-Regeln. Naturschutzverbände sehen die Pläne kritisch, werden aber wohl keinen starken Widerstand organisieren, weil sie im Klimawandel das größte Umweltproblem sehen. Auch ohne Widerstand wird es dauern, bis die Regeln und Gesetze überarbeitet werden können. Die hohen Ausbauziele erlauben aber keine Verzögerungen. Erreicht wird vielleicht die Hälfte, also 40 GW Zubau.
Kohlestrom auch nach 2030
Daher werden Kohlekraftwerke auch nach 2030 noch gebraucht. Die Formulierung im Koalitionsvertrag, der Kohleausstieg soll bis dahin „idealerweise“ erfolgen, zeigt, dass auch die neue Regierung nicht überzeugt ist, ihre Ziele zu erreichen.
Endverbraucherpreise werden durch EEG-Ende sinken, Börsenstrompreise hoch bleiben
Die Endverbraucherpreise für Strom werden zunächst sinken, weil die EEG-Zulage zu Anfang 2022 gesenkt und im Folgejahr ganz abgeschafft werden soll. Sie wird dann komplett aus dem Bundeshaushalt bestritten. Das wird die Stromkosten für Kleinverbraucher um bis zu 20% senken.
Dass die Kohleverstromung durch den Atomausstieg eine Renaissance erlebt, hält den Börsenstrompreis in den nächsten drei Jahren hoch. Auch dass der Kohleausstieg 2030 nicht möglich sein wird, sorgt für höhere Börsenstrompreise als im Fall einer Abschaltung, wie eine Studie des britischen Energie-Analysten Aurora zeigt.
Wichtige Bereiche der Energie-Transformation sind noch nicht definiert
Wichtige Bereiche der Transformation der Energieversorgung sind noch nicht klar ausbuchstabiert. Gaskraftwerke, die auch mit Wasserstoff laufen sollen, sind als Pufferkraftwerke vorgesehen. 60 GW Leistung stehen im Raum (aber nicht im Koalitionsvertrag, der zu Gaskraftwerken keine Zahlen beinhaltet), eine Verdoppelung der aktuellen Leistung. Auch zu Speicherkraftwerken enthält der Koalitionsvertrag nichts. Ob als Anreiz zum Bau der Kraftwerke ein Kapazitätsmarkt geschaffen werden soll, also eine Bezahlung dafür, dass eine Leistung bereitsteht, auch wenn sie nur selten genutzt wird, darüber gibt es bisher keine Einigkeit. Zur Energietransformation der Industrie hat die Ampelkoalition noch keine konkreten Pläne. Anfang 2022 soll dazu ein Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften starten.
Fazit: Die ehrgeizigen Pläne der Ampelkoalition sind nicht zu erreichen. Immerhin: Die Abschaffung der EEG-Zulage wird den Endverbraucherpreis für Strom um bis zu 20% senken.
Hinweis: Die umfangreiche Online-Fassung des Artikels enthält weitere Zahlen und geht argumentativ noch mehr in die Tiefe. Sie erscheint am 20.12.2021