Verlagerung der energieintensiven Industrien aus Deutschland läuft schon
Die Chemieindustrie liefert einen weiteren Beleg für die massiv verschlechterten Standortbedingungen in Deutschland. Der Abzug der energieintensiven Industrien aus Deutschland hat bereits in relevantem Maßstab begonnen. Das zeigt eine Studie des Wirtschaftsprüfers und Beratungsunternehmen Deloitte unter europäischen Chemiemanagern. Eine große Mehrheit der Entscheider (81%) rechnet mit einer Verlagerung energieintensiver Produktion. Grund: Die Manager der Branche erwarten bis mindestens 2030 hohe Energiekosten.
Über die Hälfte verlagert Investitionen schon in andere Länder
Alarmierend: Über die Hälfte der befragten Manager (58%) lenken schon heute ihre Investitionen in andere Länder um. Das bevorzugte Zielland sind die USA. Dort sind die Stromkosten laut dem Chemieverband VCI etwa halb so hoch wie in Deutschland. Viele europäische Länder haben zwar niedrigere Strompreise als Deutschland, sie liegen aber immer noch deutlich über den Preisen in den USA (z.B. Frankreich Faktor 1,5). Wegen der geopolitischen Unsicherheiten ziehen die Chemiemanager China kaum als alternativen Standort in Betracht.
Deutschland droht ein spürbarer Wohlstandsverlust
Deutschland geht ein hohes Risiko ein, in den nächsten Jahren einen spürbaren Wohlstandsverlust zu erleiden, wenn die energieintensiven Industrien weiter abwandern. Die gesamte Wertschöpfung der energieintensiven Industrien direkt und ihrer Zulieferer und Verarbeiter betrug in Deutschland 242 Mrd. Euro im Jahr 2022. Die direkte Wertschöpfung nur in den energieintensiven Industrien betrug 135 Mrd. Euro. Das zeigt eine Studie von IW Consult.
Chemie (53 Mrd. Euro) und Pharma (27 Mrd. Euro) sind die Schwergewichte der energieintensiven Industrien. Danach kommen die Glas- und Keramikindustrie (21 Mrd. Euro), Metall (21 Mrd. Euro) und die Papierindustrie (13 Mrd. Euro). Während die Chemie und Pharmaindustrie zumeist aus Großunternehmen besteht, die ihre Produktion verlagern können, wird es bei der Glas-, Metall- und Papierindustrie zu Insolvenzen und Werksschließungen kommen.
Über 2 Mio. Arbeitsplätze hängen an den energieintensiven Industrien
Insgesamt 2,4 Mio. Arbeitsplätze hängen an den den energieintensiven Industrien, ihren Zulieferern und den weiterverarbeitenden Unternehmen. Das sind immerhin 5,3% aller Erwerbstätigen in Deutschland. Das ist ohnehin schon ein wesentlicher Anteil. Hinzu kommt, dass es vielfach sehr gute bezahlte Arbeitsplätze sind. Hier wird also viel Steuersubstrat und Kaufkraft generiert. Die Abwanderung der Industrien wird somit einen große Verlust hochwertiger Arbeitsplätze bedeuten - und hohe Sozialkosten nach sich ziehen.