Zwei Parteivorsitzende müssen derzeit um ihren Posten bangen: Christian Lindner von der außerparlamentarischen FDP und Horst Seehofer, Chef der Regierungspartei CSU. Gemeinsam ist ihnen derzeit der Misserfolg beim Wähler – die Münze, mit der in der Politik bezahlt wird. Und beiden sitzt die Alternative für Deutschland im Nacken.
Der Stuhl, auf dem der neue jungdynamische FDP-Chef Christian Lindner sitzt, wird langsam heiß. Egal, welche Umfrage auch immer herangezogen wird: Die FDP verharrt im Kellerloch. Zuletzt bei 4% (Sonntagsfrage). Nennenswerte Umfrage-Gewinne gegenüber der Bundestagswahl verzeichnen derzeit nur zwei Parteien: die Alternative für Deutschland (von 4,7 auf 6%) und die Grünen (von 8,4 auf 11%).
Ein Thema für die Liberalen, das Wähler auf ihre Seite zieht, hat Lindner bisher nicht gefunden. Obwohl die christsoziale Regierung mehr als einen Ansatzpunkt liefert. Ob Arbeitsmarkt, Rente, Regelung des Ausländerzuzugs nach Qualifikation: Nirgends findet Lindner den richtigen Ton für das ehemalige Klientel seiner Partei, das mittlerweile zu einem beträchtlichen Teil zur AfD abgewandert ist. Die vertritt liberale Kontra-Positionen inzwischen offenbar glaubwürdiger als die Freiheitlich-Liberalen.
Lindner selbst hofft, von seiner Partei bis zur Bundestagwahl 2017 Zeit zu bekommen. Vorher möchte er am liebsten auf keinem Plakat auftauchen. Doch diese Zeit hat er nicht. Zuvor muss er noch 13 Landtagswahlen überstehen, darunter die in Lindners Heimatland NRW im Frühjahr 2017. Schon vorher erwarten abtrünnige Altanhänger der Partei Erfolge und ein klares Profil, wenn sie noch einmal zu „ihrer“ FDP zurückkehren sollen. Das wurde auf den Hayek-Tagen in Freiburg am Wochenende deutlich. Dort finden sich traditionell viele intellektuelle Liberale zusammen, um ökonomische und gesellschaftspolitische Themen zu diskutieren.
Hin und wieder fällt als Gegenkandidat der Name des Eurokritikers Frank Schäffler. Er wurde nicht in den Parteivorstand gewählt – auf Betreiben Lindners, der als „Genscherist“ eine völlig andere europolitische Position vertritt. Das hat viele Mitglieder verärgert. Auch wankt Schäffler nicht in seiner Position. Aber er steht bisher nur für ein Thema. Und ihm fehlt das Charisma, um die gesamte Partei hinter sich bringen zu können, die in der Breite den Euro befürwortet.
CSU-Chef Horst Seehofer hat sich bereits mit seiner Kurzzeit-Europakritik eine blutige Nase geholt. Bei der Europawahl fiel die CSU damit beim Souverän durch. Jetzt diskutiert die Partei heftig: Wieso erreichte die CSU ihre treue Stammklientel nicht? Wieso ist sie in Berlin kaum wahrnehmbar? Was sind überhaupt Themen außerhalb Bayerns, mit denen man punkten kann? Ist Gerda Hasselfeldt die richtige Speerspitze?
Seehofers Nachfolgefavoriten Markus Söder und Christine Haderthauer legen ihm nahe, 2015/16 zur Halbzeit abzutreten. Und auch das einzige politische Opfer der Edathy-Affäre, Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich, schießt sich (mit anderen) auf Seehofer ein.
Fazit: Auch wenn der Ruf nach einer liberalen Stimme in der Politik immer lauter wird – die FDP unter Lindner wird bislang nicht als diese Stimme angesehen. Das kaum zu Glaubende könnte demnach Wirklichkeit werden: Die FDP versinkt auf Dauer in der Bedeutungslosigkeit, die AfD übernimmt ihre Rolle – und könnte dann der CSU in Wahlen auch noch stärker zusetzen.